Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

§ 3. Das ukrainische Gemetzel (16U8) 
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Mann; hergeben muß selbst der Bettler und Greis die ihm gespende 
ten Gaben“ 1 ). Sogar in dieser Klage des „ausgeplünderten Kosaken“ 
(„Kosak ha’nigsal“, wie der ironische jüdische Ausdruck lautet) tritt 
uns der Jude nur als der um die Einkünfte seines polnischen Herrn 
besorgte Geschäftsführer entgegen, und doch sollte gerade er von 
dem Wüten der entfesselten Volksleidenschaften schwerer getroffen 
werden als der eigentliche Herr. Scharen bewaffneter Bauern oder 
„Haidamaken“ sollten bald unter der Anführung von Kosaken in die 
von Juden dicht bevölkerten Städte einbrechen, um hier ihr blutiges 
Werk zu vollbringen. In den Bereich der jüdischen Geschichte tritt 
eine neue verhängnisvolle Gewalt, das ukrainische „Haidamakentum“, 
deren periodisch wiederkehrende Entladungen in den Volksanna 
len eine grausige Spur hinterlassen, eine Spur, die sich über fast volle 
drei Jahrhunderte hinzieht . . . 
§ 3. Das Schreckensjahr des ukrainischen Gemetzels (16U8) 
Dasselbe Jahr, das Westeuropa nach drei Jahrzehnten des Krie 
ges endlich den Frieden bescherte, stand in Osteuropa im unheilver 
kündenden Zeichen des Schwertes. Im Frühjahr i648, als in Polen 
noch der König Wladislaw IV. (Band VI, § 37) regierte, entfaltete 
der Tschigiriner Kosakenhauptmann Bogdan Chmelnickij (Chmel) 
im saporogischen Gebiet das Banner des Aufstandes, der bald auf die 
gesamte Ukraine Übergriff. Über die polnische Gewaltherrschaft so 
wie über die ihm persönlich zugefügte Unbill aufs tiefste erbittert 
(der Starosta von Tschigirin hatte Chmelnickij seiner Scholle beraubt, 
*) In einer ukrainischen Chronik aus dem XVII. Jahrhundert („Annalen eines 
Augenzeugen“) wird berichtet, daß die polnischen Gutsbesitzer den Juden auch 
griechisch-orthodoxe Dorfkirchen in Pacht zu geben pflegten, so daß die Bauern 
ohne Erlaubnis der jüdischen Pächter nicht einmal ihre Kinder in den Kirchen 
taufen lassen konnten. Die gleiche Behauptung findet sich auch in einem der 
Kosakenlieder wieder. Manche russischen Geschichtsschreiber (Kostomaroff u. a.) 
erblicken nun hierin den Hauptgrund für die Empörung der ukrainischen Be 
völkerung gegen die Juden. Die neueren Forscher (Franko, Kamanin) ziehen je 
doch die Glaubwürdigkeit dieser Überlieferung in Zweifel, da zuverlässigere Quel 
len als die tendenziöse Kosakenchronik oder das aus dunkler Überlieferung ge 
borene Volkslied nichts dergleichen zu berichten wissen. Es ist daher anzunehmen, 
daß die Volksüberlieferung dem jüdischen Faktotum des Panen eine Schuld in die 
Schuhe schiebt, die nur diesen allein treffen mochte: wohl übernahm der Jude als 
Mittelsmann die Bewirtschaftung der Güter, doch wird sie kaum auch die Kirchen 
pacht mitumfaßt haben. S. Bibliographie zu § 2.
	        
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