Volltext: Die Geschichte des jüdischen Volkes in der Neuzeit (7, Die Neuzeit ; Zweite Periode ; 1928)

Das autonome Zentrum in Polen 
mit hebräischen Lettern bedruckten Blätter, um sie dann in die Flam 
men zu werfen. Die Rabbiner und alle anwesenden Juden brachen 
in lautes Wehklagen aus“. In den folgenden Tagen wurden auf dem 
selben Platz haufenweise die Talmudbände verbrannt, die inzwischen 
in den anderen podolischen Städten eingezogen und nach Kamenez 
geschafft worden waren. Fast schien es, als wären von neuem die 
Zeiten des Papstes Paul IV. gekommen (Band VI, § 12), als sollten 
die jüdischen Bücher in ganz Polen in Rauch und Qualm aufgehen. 
Es ereignete sich jedoch ein Zwischenfall, den die Zeitgenossen als 
ein „Wunder“ bezeichneten. Der in Bischofsgestalt neu erstandene 
Haman wurde plötzlich von einer Krankheit befallen, an deren Fol 
gen er schon drei Wochen nach dem ersten Autodafe starb 1 ). Die 
Sektierer gingen so ihrer Hauptstütze verlustig und sahen sich erneut 
den Verfolgungen der gereizten Kahale ausgesetzt. In ihrer Bedräng 
nis wandten sich nun die Verfolgten an den König August III., von 
dem sie auch einen „ehernen Titel“, d. i. einen Schutzbrief erhielten 
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(Juli 1758), der denen, „die sich von dem gotteslästerlichen Talmud 
losgesagt und zur Erkenntnis des dreieinigen Gottes emporgerungen 
haben“, volle Unantastbarkeit gewährleistete. Indessen vermochte die 
auf dem Papier zugesicherte Protektion den Sektierern, die den sie 
mit ihrem Volke verbindenden Faden abgerissen und den Anschluß 
an die fremde Umwelt noch nicht gefunden hatten, in ihrer prekären 
Lage nur geringe Dienste zu erweisen. 
§ 25. Die Frankisten als christianisierende Sekte 
In diesem kritischen Augenblick trat der zeitweilig von der Ober 
fläche verschwundene und sich im türkischen Grenzgebiet aufhaltende 
Jakob Frank erneut in den Vordergrund. Nun hatte er eine neue Of 
fenbarung zu verkünden: die Gefolgschaft des Sabbatai Zewi in Po 
len müßte — so predigte er — in den Fußstapfen des Meisters wan 
delnd und sich den Zeitverhältnissen anpassend, gleich diesem den 
Weg über die Religion der fremden Umwelt, in diesem Falle also 
über das Christentum nehmen, um auf diesem Umwege „zum Glau- 
*) Die anläßlich des Todes des neuen Haman verbreiteten Flugblätter waren 
mit Karikaturen versehen, die Dembowski in der Hölle mitten unter den ihn 
peinigenden Dämonen darstellten. Reproduktionen dieser Spottbilder sind in der 
antifrankistischen Schrift des R. Jakob Emden „Sefer schimusch“ (Amsterdam 
1758) zu finden. 
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