Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

§ 70. Der Fall Babyloniens und die Befreiung der Judäer 
funden; peres: dein Reich ist zerteilt und den Persern und Medern 
gegeben.“ Diese Prophezeiung ging alsbald in Erfüllung: noch in 
derselben Nacht wurde der chaldäische König Belsazar ermordet. 
Ihm folgte der „Meder Darius“ auf dem Throne. In dieser poetisch 
ausgestalteten Sage kommt die Volksanschauung zum Ausdruck, der- 
zufolge der Fall des allmächtigen Babylon eine Strafe Gottes für 
die Zerstörung Jerusalems und die Entweihung des heiligen Tempels 
gewesen sei. Aber es steckt auch ein geschichtlicher Kern darin: 
Belsazar oder genauer Bel-Sar-Ussur (den babylonischen Inschriften 
zufolge) war tatsächlich ein Sohn und Mitregent Nabunaids, und 
auch die obenangeführte offizielle Urkunde spricht davon, daß der 
Sohn des letzten babylonischen Königs von dem persischen Statt 
halter Ugbar in der Nacht zum elften Marcheschvan, d. h. acht 
Tage nach dem Einzuge des Kyros in Babylon, ermordet wurde. 
Die in Babylonien lebenden judäischen Verbannten kamen dem 
großen persischen König, in dem sie ihren Erlöser aus fünfzig 
jähriger Gefangenschaft erblickten, mit größter Begeisterung ent 
gegen. Schon früher waren anscheinend Gerüchte über die Hoff 
nungen, die die Judäer auf ihn setzten, sowie über die Lobpreisungen 
der judäischen Propheten, die ihn schon nach seinen ersten Siegen 
den Gesandten Gottes nannten, zu Kyros gedrungen. Kyros, der den 
Besiegten gegenüber stets großmütig war und auch den fremden 
Religionen Duldsamkeit entgegenbrachte, konnte nicht umhin, diese 
Verehrung der Unterdrückten anzuerkennen, die durch ihn die Be 
freiung zu erlangen hofften und die durch ihre Vertreter sich viel 
leicht auch darum bemühten. Überdies war es für Kyros, der als 
Eroberer Babyloniens zugleich zum Herrscher des diesem unter 
gebenen Judäa geworden war, auch in politischer Hinsicht nur von 
Vorteil, die große Menge der Verbannten in ihre Heimat ziehen 
zu lassen, damit sie das zerstörte Judäa als eine den Persern unter 
tänige Provinz wieder aufbauten. Von dem ihm zu Dank ver 
pflichteten Volke bewohnt, sollte das auf dem Wege von Persien 
nach Ägypten gelegene Judäa Kyros als Schutz wehr gegen die 
ägyptischen Pharaonen dienen, mit denen er in der nächsten Zeit 
Krieg zu führen gedachte. Alle diese Gründe bewogen den per 
sischen Eroberer, den sehnlichen Wunsch der judäischen Verbannten 
zu erfüllen. Bald nach der Einnahme Babylons erteilte Kyros den 
Judäern die Erlaubnis, in ihre Heimat zurückzukehren und Jeru- 
23 Dubnow, Weltgeschichte des jüdischen Volkes. 
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