Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

Das babylonische Exil 
338 
zu seinen Exilsgenossen, keiner trügerischen Hoffnung auf einen 
Sieg Judas im Kampfe mit dem mächtigen Nebukadrezzar hin. In 
der ersten Zeit nahm er unter den nach Babylonien verbannten 
politischen Heißspornen dieselbe Stellung ein, die Jeremia unter 
ihren Gesinnungsgenossen in Juda beschieden war. Daher haben 
auch die ersten, aus dem zehnjährigen Zeitraum zwischen der Ge 
fangenschaft Jojakins und der Zerstörung Jerusalems stammenden 
Reden Jeheskels den Charakter von Oppositions- und Strafreden 
(Das Buch Ezechiel, Kap. 4—12, i4, 17, 21, 2 3). Es war wohl 
kaum ein Zufall, daß Jeheskel seine erste Offenbarung „im fünften 
Jahre nach der Wegführung des Königs Jo jakin“, d. i. im Jahre 
593 oder 592, empfing, als man sich in Jerusalem und in Ba 
bylonien mit dem Plane eines Aufstandes gegen Nebukadrezzar trug 
(§ 62). Nach der Überzeugung des Propheten bedeutete dies eine 
Auflehnung gegen den göttlichen Ratschluß, und seine Mission er 
blickte er darin, dies „abtrünnige, widerspenstige Geschlecht“ (bet 
ha’meri) strafend zur Rede zu stellen. In den Jahren, die dem 
Falle Jerusalems vorangingen, bekämpfte der Prophet erbarmungslos 
den Wahn der Deportierten und ihren festen Glauben an die Un 
antastbarkeit der heiligen Stadt und des Tempels; in immer neuen 
Wendungen wiederholt er, daß Jerusalem bald zerstört sein würde, 
Juda geknechtet und der König Zedekia mitsamt seinen Würden 
trägern in die Gefangenschaft geführt. Der von Zedekia begonnene 
Aufstand war ihm durchaus keine nationale Heldentat, sondern 
nichts weiter als ein Akt politischen Selbstmords, und in der Glut 
des Jerusalemer Patriotismus sah er schon die verzehrenden Flam 
men des Scheiterhaufens voraus, denen Hauptstadt, Tempel, Dy 
nastie sowie der letzte Rest der Staatlichkeit zum Opfer fallen 
sollten. Hart waren die Worte des Propheten: sie beraubten die 
Judäer ihrer letzten Hoffnung auf baldige Befreiung, sie verhießen 
lange Jahre des Exils und eine schwere Leidens- und Bußezeit 1 ). 
Als aber die Katastrophe hereinbrach, als die Kunde von dem Falle 
Jerusalems die babylonischen Gefangenen in Verzweiflung versetzte, 
da änderte sich sowohl Ton als auch Inhalt der Reden Jeheskels. 
1 ) Aus einigen Kapiteln des Buches Ezechiel (Kap. il\ und 20) ist zu er 
sehen, daß manche von den Verbannten auch im Exil heidnischen, hier oder 
noch in der Heimat angeeigneten Bräuchen anhingen und durch die Reden des 
Propheten überführt wurden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.