Volltext: Die älteste Geschichte des jüdischen Volkes (1, Orientalische Periode / 1925)

§ 65. Allgemeine Übersicht 
Babylonien (Bne ha’golah), wo die judäische Kolonie von national- 
religiösem Geiste tief durchdrungen war. Ihre aufgespeicherten 
geistigen Kräfte flössen der Metropole immer wieder zu. Im zweiten 
und letzten Jahrhundert der persischen Herrschaft (420—332) be 
festigte sich in Judäa endgültig die theohratische Selbstverwaltung, 
die sowohl der politischen Lage des Volkes als auch dem Stande 
seiner Kultur in jener Epoche entsprach. 
Die Periode der persischen Heerschaft ist auch noch durch eine 
andere schicksalsschwere Erscheinung gekennzeichnet: neben dem 
Staatszentrum in Judäa bildet sich die Diaspora, ein Netz judäischer 
Kolonien außerhalb Palästinas. An erster Stelle steht der Stamm 
vater der hebräischen Diaspora: Babylonien. Zwischen dieser Ko 
lonie und der Metropole entwickelt sich ein lebhafter Verkehr, der 
eine gegenseitige kulturelle Beeinflussung zu seiner Grundlage hat. 
Weniger bedeutend ist die judäische Kolonie in Ägypten, die um 
die Zeit des Falles von Jerusalem von judäischen Auswanderern 
begründet worden war, unter denen die mit dem Propheten Jeremia 
Gekommenen eine hervorragende Stellung einnahmen (§ 64); jedoch 
bestand auch in Ägypten, wie aus neuerdings aufgefundenen Papyris 
zu ersehen ist, ein Brennpunkt jüdischer Kultur. Von nun ab 
beginnt in der jüdischen Geschichte der sich über Jahrhunderte 
hinziehende Dualismus von Judäa einerseits und der Diaspora 
andrerseits. 
In politischer Hinsicht ziemlich farblos, ist die Periode der 
persischen Herrschaft auf dem Gebiete des geistigen Schaffens 
jedoch äußerst fruchtbar. Die im babylonischen Exil immer mehr 
zunehmende national-geistige Konsolidierung dauert fort und zeitigt 
bedeutsame Ergebnisse. Der kritische Übergangspunkt vom Jüng 
lings- zum Mannesalter ist überwunden und es bricht nunmehr ein 
Zeitalter gleichmäßiger, normaler Entwicklung an. Die religiös- 
sittliche Weltanschauung des Volkes gelangt zu größerer Klarheit 
und wird von fremdartigen Beimischungen frei. Die zeitweilige 
Losgerissenheit vom Boden während des fünfzigjährigen Exils 
untergrub die Macht des kanaanitischen Lokalkultes: den Baalismus 
(§§ ii und 48). Der ehedem unter den Massen verbreitete relative 
Monotheismus, der neben dem nationalen Jahvegotte die reale 
Existenz anderer Stammgötter zuließ, machte nun einem absoluten 
Monotheismus Platz, der Jahve als den einzigen Weltgott und das
	        
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