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aufgedeckt und deren metaphysische Systeme er gestürzt haben
wollte, war die leibniz-wölfische.
Fichte wußte, daß er im äußersten Gegensatz zu Spinoza
stehe und daß seinem Principe Leibniz näher verwandt sei. Er
sah in Spinoza den Charakter der dogmatischen Philosophie, wel
cher er selbst gegenüber der kritischen Philosophie sein wollte.
Zwischen ihm und Spinoza bestand nur die Wahlverwandtschaft
consequenter und rücksichtsloser Denker, und diese Verwandtschaft
fühlte Fichte eben so deutlich, als er den Gegensatz ihrer Systeme
einsah. Zwischen ihm und Leibniz bestand eine Wahlverwandt
schaft der Grundsätze, die in dem Principe selbstthätiger Eigen
thümlichkeit und Kraft übereinstimmten. In eben diesem Punkte,
wo sich Leibniz dem Spinoza entgegensetzt, fühlte sich Fichte zu
Leibniz hingezogen.
Am bedeutungsvollsten und treffendsten aber urtheilte Schel-
ling über jene beiden Träger der dogmatischen Philosophie, de
nen er sich in gleicher Weise congenial fühlte, denn mit Spinoza
theilte er das Jdentitätsprincip und den Pantheismus und mit
Leibniz die Idee der Entwicklung im Universum, des Stufen
reichs der Dinge, der harmonischen Weltordnung. Wir können
von Leibniz und seinem Zeitalter nicht besser Abschied nehmen,
als wenn wir uns die Urtheile vergegenwärtigen, welche Fichte
und Schelling dem großen Begründer der deutschen Aufklärung
widmen. Wie er in diesen Urtheilen existirt, so hat Leibniz' Bild
uns selbst vorgeschwebt von dem ersten Zuge unserer Darstellung
bis zum letzten.
Fichte sagt in seiner zweiten Einleitung in die Wissenschafts
lehre: „Leibniz konnte auch überzeugt sein, denn wohl verstan
den — und warum sollte er sich nicht selbst wohl verstanden ha
ben ? — hat er Recht. Läßt höchste Leichtigkeit und Freiheit des
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