Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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gleich er das Latein kaum stammeln konnte, so nahm er die Bü 
cher, wie sie ihm grade in die Hand sielen, holte sie hervor und 
legte sie wieder bei Seite, blätterte darin ohne Auswahl, kostete, 
wo cs ihm behagte, und übersprang, je nachdem die Klarheit der 
Sprache oder die Annehmlichkeit des Inhalts ihn anzog. Es 
war, als ob er das Schicksal zum Lehrer genommen und eine 
Stimme zu hören geglaubt, die ihm zurief: „„Nimm und lies! 
(Tolle Lege)! “ “ Denn sein Lebensschicksal brachte es mit sich, daß 
er fremden Rath entbehren mußte, und so blieb ihm nichts übrig 
als die seinem Lebensalter eigene Kühnheit, der Gott zu Hülfe 
zu kommen pflegt. Der Zufall fügte es, daß er zuerst auf die 
Alten gericth, in denen er anfangs nichts, allmälig etwas, zuletzt 
so viel verstand, als er brauchte; und wie diejenigen, die in 
der Sonne wandeln, unwillkürlich gebräunt werden, so hatte er 
eine gewisse Färbung nicht bloß des Ausdrucks, sondern auch der 
Denkweise angenommen. Als er nun zu den Nclieren kam, wi 
derten ihn diese Schriften an, wie sie damals in den Buchläden 
an der Tagesordnung waren, mit ihrem nichtssagenden Schwulst 
oder dem Quodlibet fremder Gedanken, ohne Armuth, ohne 
Kraft und Fülle, ohne allen lebendigen Nutzen; man hätte mei 
nen sollen, sie seien für eine andere Art Welt geschrieben, die sie 
selbst bald ihre Republik bald den Parnaß nannten. — Wenn er 
dann zurückdachte an die Alten, die mit ihren männlichen, großen, 
kraftvollen, den Dingen gleichsam überlegenen, das ganze mensch 
liche Leben wie in einem Gemälde zusammenfassenden Gedanken, 
mit ihrer natürlichen, klaren, fließenden, den Dingen angemessenen 
Forin ganz andere Bewegungen in den Gemüthern erzeugen! 
Dieser Unterschied war ihm so merkwürdig, daß er seitdem diese * 
beiden Grundsätze bei sich feststellte: stets in den Worten und den 
übrigen Zeichen des Geistes die Klarheit, in den Dingen den
	        
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