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der Gegensätze, sie suche den Geist der Wirklichkeit und des Le
bens, aber sie bilde sich nicht ein, diesen lebendigen Geist jemals
durch todte Begriffe fassen oder auf der Heerstraße der Logik er
reichen zu können! Finden läßt sich die Einheit der Gegensätze
nur in dem menschlichen Dasein selbst, in dem lebendigen Indi
viduum, und hier kann sie nur im Gefühl, in dunkler, instinc-
tiver Erkenntniß als eine Offenbarung ergriffen werden.
3. Der Mensch als „Pan".
Daraus erklärt sich vollkommen, warum bei Hamann an die
Stelle der klaren und objectiven Darstellung die dunkeln und räth-
selhasten Selbstbekenntnisse treten. Er nennt sich selbst „den
Pan", wie ihn Jacobi das Pan aller Widersprüche nannte. Die
ser schrieb seinem Bruder, nachdem er Hamann persönlich ken
nen gelernt hatte: „es ist wunderbar, in welch hohem Grade er
alle Extreme in sich vereinigt. Deßwegen ist er auch von Jugend
auf dem principium contradictionis, sowie dem des zureichen
den Grundes, von Herzen gram gewesen und immer nur der
coincidentiae oppositorum nachgegangen. Buchholz sagt im
Scherz von Hamann, er sei ein vollkommener Jndifferentist, und
ich habe diesen Beinamen nicht abkommen lassen. Die verschie
densten , heterogensten Dinge, was nur in seiner Art schön, wahr
und ganz ist, eigenes Leben hat, Fülle und Virtuosität verräth,
genießt er mit gleichem Entzücken: omnia divina et humaua
omnia*).“ Ihm, welchem die dunkle Individualität der Men
schennatur ein göttliches Dämonium war, mußte der Spinozis-
mus mit seiner geometrischen Sittenlehre wie ein „Knochenge
rippe" erscheinen, denn dieser Lehre galt die dunkle Jndividuali-
*) Fr. Heim. Lacobi's Werke. Bd. III. S. 503flgd.