Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

818 
Erziehung geübt wissen wollte, hat er uns auf das Anschaulichste 
dargethan und poetisch verkörpert in seinem Nathan*). 
Im Geiste jenes ächt leibnizischen Begriffs der Entwicklung, 
der die Dinge in ihrer Eigenthümlichkeit nicht bloß läßt, sondern 
aufsucht, konnte Lessing so gut wie Leibniz die Fesseln der Schule 
und des Systems entbehren, mußte er, wie Leibniz, dem Secten- 
geiste jeder Art abgeneigt sein. Seine Geistesfreiheit hatte den 
richtigen Zug; sie bestand eben darin, daß er die Dinge in ihrer 
eigenthümlichen Natur und Freiheit anerkannte und in dieser Le 
bendigkeit zu durchdringen, nicht in das fremde Maß vorgefaßter 
Begriffe zu zwängen suchte; daß er dem Vorurtheile in jeder Ge 
stalt Feind war. Er konnte den Dingen, welche er beurtheilte, 
gerecht werden, weil er ihnen congenial war, weil er seinen Ver 
stand ihrer Natur conform zu machen wußte. Will man die 
Männer der Verstandesaufklärung als „Freidenker" bezeichnen, 
so fehlte ihnen wenigstens diese Geistesfreiheit, welche Lessing 
hatte; und Lessing von jenen Freidenkern zu unterscheiden, konnte 
Herder sehr gut sagen: „er war kein Freidenker, sondern ein 
Rechtdenker!" 
*) Vgl. meine Vorträge über „Lessing's Nathan. Idee und Cha 
raktere der Dichtung." (Cotta 1864).
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.