Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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nachtheilig geworden. Nicht den Spekulationen: dem Unsinn, 
der Tyrannei, diesen Speculationen zu steuern; Menschen, die 
ihre eigenen hatten, nicht ihre eigenen zu gönnen, ist dieser Vor 
wurf zu machen. Oder soll das menschliche Geschlecht auf diese 
höchsten Stufen der Aufklärung und Reinigkeit nie kommen? 
Nie? Nie? Laß mich diese Lästerung nicht denken, Allgütiger! 
Die Erziehung hat ihr Ziel: bei dem Geschlechte nicht weniger, 
als bei dem Einzelnen. Was erzogen wird, wird zu Etwas er 
zogen. Nein; sie wird kommen, sie wird gewiß kommen, die 
Zeit der Vollendung — die Zeit eines neuen ewigen Evange 
liums, die uns selbst in den Elementarbüchern des neuen Bun 
des versprochen wird. Gehe deinen unmerklichen Schritt, ewige 
Vorsehung, nur laß mich dieser Unmerklichkeit wegen an dir nicht 
verzweifeln. Laß mich an dir nicht verzweifeln, wenn selbst 
deine Schritte mir scheinen sollten, zurückzugehen! Es ist nicht 
wahr, daß die kürzeste Linie immer die gerade ist*)." 
So bildet der Begriff der Entwicklung, der von dem ächten 
Geiste der leibnizischen Lehre abstammt, den Gesichtspunkt, unter 
welchem Lessing die Religion betrachtet und die Religionen be 
urtheilt. In diesem Begriff, den er für die Geschichte fruchtbar 
zu machen wußte, unterscheidet sich Lessing von Spinoza, der 
den Begriff der Geschichte nicht haben konnte, und von der Ver 
standesaufklärung, die innerhalb ihrer logischen Schranke nicht 
geschichtlich zu denken vermochte. Von dieser Seite hat die Ver 
standesaufklärung ihren Lessing niemals begriffen. Es ist in die 
ser Rücksicht sehr charakteristisch, daß Mendelssohn gar nicht glau 
ben wollte, Lessing habe die Sätze über die Erziehung des Men 
schengeschlechts geschrieben. So wenig kannte er den Geist und, 
was er niemals hätte verkennen sollen, den Styl seines Freundes. 
*) Erziehung des Menschengeschlechts. §.76 flgd. 33b. X. S. 325slgd.
	        
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