Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Religion, wenn es die Bibel nicht ist? Man verweist uns auf 
die übernatürliche Thatsache ihrer Entstehung. Die christlichen 
Wunder, sagt man, seien der „Beweis des Geistes und der 
Kraft". Wenn in der That die Wunder dieser Beweis wären, 
wenn durch sie allein die christliche Religion wahrhaft bezeugt 
werden könnte, so dürsten sie nicht aufhören zu geschehen, denn 
der einzige Beweis des Wunders ist das geschehende Wunder. 
Aber für uns giebt es keine lebendigen Wunder mehr, sondern 
nur Nachrichten von Wundern, die einst geschehen sein sollen. 
Offenbar sind diese Nachrichten selbst keine Wunder, und den 
günstigsten Fall gesetzt, daß die Nachricht wahr, das Wunder 
wirklich geschehen ist, so sind sie nur historische Wahrheiten, so 
berichten uns jene glaubwürdigen Erzählungen nur gewisse That 
sachen, die einmal geschehen sind und deshalb nur eine bedingte, 
aber keine ewige Nothwendigkeit haben. Zufällige Geschichts 
wahrheiten, sagt Lessing, können niemals der Beweis ewi 
ger Vernunstwahrheiten werden. Darum kann sich auf 
den Glauben an historische Wahrheiten niemals die 
Religion gründen*). 
Also der Grund der Religion ist keine schriftliche Urkunde 
und keine historische Wahrheit: weder ein Wunder noch sonst 
irgend welche einmal geschehene Thatsache. Worin besteht nun 
die Religion? In ewigen Wahrheiten, welche niemals durch 
einzelne Facta bewiesen werden können. Worin besteht die christ 
liche Religion? In den ewigen Wahrheiten, die seit den Anfän 
gen des Christenthums geglaubt und deren Inbegriff frühzeitig 
als die „regula fidei“ bezeichnet wurde. Diese regula ficlei ist 
älter, als die Kirche, als die Gemeinde, als das neue Testament. 
*) Ueber den Beweis des Geistes und der Kraft. 
An den Herrn Director Schumann zu Hannover. Bd. X. S. 33flgd.
	        
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