Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

777 
heben, müssen Kirche und Religion jeder bürgerlichen Macht ent 
kleidet oder, was dasselbe heißt, vom Staate getrennt werden. 
Wir lassen dahingestellt, inwiefern Mendelssohn jene Sätze, die 
ganz im Charakter der Verstandesaufklärung gehalten sind, zur 
Vertheidigung des Judenthums anwenden durfte; inwiefern er ein 
Recht hatte, von der mosaischen Religion zu behaupten, daß sie 
kein Kirchenrecht habe, daß sie keine Glaubenslehren befehle, daß 
ihre Glaubenslehren auf keiner'göttlichen Offenbarung, sondern 
allein auf der natürlichen Erkenntniß beruhen, und daß der ein 
zige Zweck der jüdischen Offenbarung praktische Gesetze und Le 
bensvorschriften gewesen seien*). 
II. 
Der beschränkte Aufklärungsverstand. 
1. Das geschichtswidrige Denken. 
Der Gegensatz, welchen in Reimarus die folgerichtige Ver 
standesaufklärung gegen das Christenthum einnimmt, trifft über 
haupt die positive oder geschichtliche Religion und damit die ge- 
sammte Geschichte, die durch jene Religionen bewegt wird. Die 
Verstandesaufklärung mit ihrem Deismus und ihrer natürlichen 
Moral steht allen geschichtlichen Zeitaltern ausschließend gegen 
über, die mit ihr nicht übereinstimmen oder die ihre Religionsbe 
griffe aus andern Quellen schöpfen, als aus der natürlichen Er 
kenntniß. Sie erblickt in den Vorstellungen der positiven Reli 
gionen leere Einbildungen, und obwohl sie, mit Spinoza vergli 
chen, einer ganz andern philosophischen Vorstellungsweise ange 
hört, so befindet sie sich gegenüber den geschichtlichen Religionen 
in einer ebenso ausschließenden und negativen Stellung als jener. 
*) Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum. II. Abschn. 
Mendelssohn's sämmtl. Werke. Bd. V.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.