Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

776 
sind, die man im Nothfall erzwingen kann. Jedes Recht muß 
die Möglichkeit haben, ein Zwangsrecht zu werden: es muß im 
Stande sein, die gebührende Leistung, wenn sie verweigert wird, 
durch Zwang zu bewirken. Was sich schlechterdings nicht erzwin 
gen läßt, daraus giebt es auch nimmermehr ein ernstliches Recht. 
Nun besteht die Religion wesentlich in der moralischen Gesinnung; 
ihre Handlungen haben ihren ganzen Werth in den Gesinnungen 
allein, von denen sie erfüllt sind. Aber Gesinnungen und Ge 
danken lassen sich niemals erzwingen und fallen darum nicht 
in das Gebiet der Rechtssphäre; die Religion leistet Nichts, das 
in einer Rechtsanstalt verwerthet, entweder belohnt oder bestraft 
werden könnte. So kommt Mendelssohn zu dem entscheidenden 
Satze, den er im ersten Theile seiner Schrift „Jerusalem 
oder über religiöse Macht und Judenthum" vertheidigt: 
daß es aus Gründen der Vernunft und Religion kein Kirchen 
recht gebe, daß jedes sogenannte Kirchenrecht aus Kosten der Re 
ligion existire*). Er fordert darum, wie Spinoza und Reima- 
rus, vom Staate die vollkommene Duldung der religiösen Ge 
wissen und erklärt sich deßhalb im sprechenden Gegensatz zu dem 
reunionslustigen Leibniz gegen jeden Versuch, die Glaubensmei 
nungen zu vereinigen, weil eine solche Glaubensvereinigung noth 
wendig einen Glaubensvertrag, eine Formel, ein Symbol vor 
aussetze, die zu ihrer Aufrechthaltung mit rechtlicher Geltung und 
darum mit bürgerlicher Macht ausgerüstet sein wollen. Jede 
Glaubensformel führt zum Kirchenrecht und jedes Kirchenrecht 
zum Glaubenszwang, der auf gleiche Weise der öffentlichen Ge 
rechtigkeit und dem wahren Interesse der Religion widerstreitet. 
Um das letztere zu schützen und die Toleranz zum Gesetz zu er 
*) Vgl. Mendelssohns Vorrede zu seiner Uebersetzung von Manasse 
Ben Israels Rettung der Juden.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.