Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Wissenschaft, welche Leibniz vereinigt hatte, Erfahrung und 
Speculation, treten bei Wolf in gesonderte Erkenntnißweisen 
auseinander; und so entsteht jene Metaphysik ohne lebensvolle 
Anschauung, jene Empirie ohne Tiefsinn, die zusammen der Phi 
losophie das Ansehen einer trockenen Schulweisheit geben, welche 
später von den Geniedenkern so tief herabgesetzt wurde. Auf diese 
Weise begründet Wolf die Verstand es au fklärung, indem er 
die Philosophie encyklopädisch abrundet, systematisch eintheilt und 
jeden ihrer Theile logisch disciplinirt. Diese Verstandesaufklärung 
ist nicht die Vollendung der leibnizischen Philosophie, sondern nur 
eine und zwar die erste Phase ihrer Entwicklung, der systematische 
Ausdruck ihres exoterischen Geistes; sie ist nicht, wie man häu 
fig meint, der Inbegriff der deutschen Aufklärung, sondern nur 
ein Moment in deren Geschichte. Die formelle -Bildung des 
Verstandes und die Ausbreitung der logischen Form über alle 
Theile des Wissens sind die unstreitigen, positiven Verdienste, wel 
che Wolf um die deutsche Aufklärung hat. An das verständige 
Denken grenzt unmittelbar das moralische Handeln: darum sind 
es neben der formalen Logik die ethischen Wissenschaften, Moral, 
Naturrecht, Politik, welche Wolf in seiner Weise ausbildet, in 
schulgerechte Formen bringt und unter dem Namen der praktischen 
Philosophie dem System einfügt. Hierin ergänzt er die leibnizi- 
sche Philosophie, wie später Alexander Baumgarten die wöl 
fische durch die Aesthetik vervollständigt. Denn bei Leibniz waren 
die ethischen und ästhetischen Begriffe angelegt, aber nicht in 
selbständigen Wissenschaften ausgeführt, und bei Wolf fehlte die 
Aesthetik. 
Es ist nicht schwer, aus diesen Grundzügen der wölfischen 
Philosophie den Gesichtspunkt zu erkennen, der ihre gesammte 
Weltbetrachtung beherrscht und überhaupt den Charakter der
	        
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