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unabhängige Wesen seien, die nur von Gott ab
hängig sind, so spricht er selbst die Antinomie aus, von der
wir reden. Es läßt die Selbständigkeit der Monaden unter einer
Beschränkung gelten, wodurch sie verneint wird. Der Begriff
der Monade wird von Leibniz in demselben Augenblicke zugleich
gesetzt und aufgehoben. Wir finden bei Leibniz in dem Begriffe
der Substanz einen ähnlichen Widerspruch als bei Descartes.
Was in dem Wesen der Monade die Substanz ausmacht,
nannten wir die thätige Kräfte oder die Seele; was die Sub
stanz einschränkt und abhängig macht, die leidende Kraft oder
den Körper. Die Seele macht in den Monaden das Prin
cip der Einheit, der Körper das der Vielheit; in jener be
steht die zweckthätige, in diesem die mechanische Natur. Seele
und Körper läßt Leibniz unmittelbar in Eines gesetzt sein: die
Elemente der Dinge oder die Monaden gelten ihm unmittel
bar für beseelte Körper, für lebendige Maschinen, für vollstän
dige Individuen, deren ganze Wirksamkeit in der Entwickelung
dessen besteht, was als ursprüngliche Bestimmung in ihnen an
gelegt ist. Auf diesen Begriff der Individualität gründet sich
Leibniz' fruchtbare und reiche Weltanschauung. Unter diesem Prin
cip darf ihm die Welt als ein lebendiges Ganzes erscheinen, in
dem jede einzelne Kraft sich entwickelt und alle Kräfte ein conti-
nuirliches Stufenreich bilden. Aber diese Stufenordnung wird
nicht erzeugt, sondern nur entfaltet, denn sie besteht schon im
Ursprung der Dinge; die Weltharmonie ist in der Natur präfor-
mirt, diese präformirte Harmonie ist in Gott vorherbestimmt.
So wird das Princip der Weltordnung zunächst in das Innerste
der Natur verlegt, wohin die deutliche Erkenntniß nicht dringt,
und dann in das Jenseits des göttlichen Geistes hinübergetragen,
den der menschliche Verstand niemals erreicht.