Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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und dunkle, sich gegen einander spannen und zwischen Verstand 
und Gefühl ein Streit um die Wahrheit entstehen konnte. Der 
Verstand bildet seine Urtheile nach den allgemeinen Regeln der 
natürlichen Logik, die unter dem Namen „des gesunden Menschen- 
ver^andes" bei den Einen eben so angesehen ist, als von den An 
dern verachtet wird. Das Gefühl schöpft die seinigen aus der 
dunkeln Quelle der Individualität, aus dem menschlichen Dämo- 
nium, das weniger in Urtheilen als in Orakelsprüchen redet. Das 
menschliche Dämonium, welches in diesem Falle nicht Sokrates, 
sondem Genie bedeutet, fühlt sich in nächster Verwandtschaft mit 
der Ratur und strebt daher zurück in deren geheimnißvolle Ab- 
gründ!, während sich der gesunde Menschenverstand auf den Ge- 
meinp ätzen der Moral einheimisch macht. Mit jener Seite ver- 
bindetsich deshalb der geniale Naturalismus, mit dieser die Mora 
listen, vie den gesunden Verstand, die natürliche Moral, die natür 
liche Religion gegen den Sturm und Drang der Geniedenker ver 
theidigen. Das ist die innere Lage jenes bedeutsamen Partei 
kampfei, der die Richtungen unserer Aufklärung entzweit; hier liegt 
der Gegensatz zwischen den Wolsianern, Mendelssohn, Nicolai auf 
der ein« und Lavater, Jacobi, Hamann aus der andern Seite. 
Diese dir Verstandesaufklärung entgegengesetzte Geistesbewegung 
erhebt die Universalität und Tiefe der dunkeln Erkenntniß gegen 
den beschränkten und flachen Schein der klaren. „Die dunkeln 
Kräfte dis Gemüthes und der Phantasie warfen sich in die Be 
zirke , wo der Verstand heimisch ist, sie löschten im Eifer manches 
Licht aus und zündeten wieder in andern Theilen, wohin nie ein 
Licht gedrungen war; es regte sich der Glaube an Wunderkräste, 
mit denen man die Religion zu neuer Kraft beleben, Wissenschaft 
und Natur aufklären wollte*)." 
*) Gewinus' Geschichte der poetischen Nationalliteratur der Deut 
schen. Bd. "V. S. 249.
	        
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