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bildete. Dies machte ihm beim Gehen Beschwerde, er suchte es
also zuzuheilen, aber sobald es geschehen, bekam er heftiges Po
dagra. Dieses suchte er durch stilles Liegen zu besänftigen, und
damit er im Bette studiren könnte, zog er die Beine krumm an
sich. Die Schmerzen aber zu verhindern und die Nerven unfühl
bar zu machen, ließ er hölzerne Schraubstöcke machen und die
selben überall, wo er Schmerzen fühlte, anschrauben. Ich glaube,
er habe hierdurch seine Nerven verletzt, so daß er die Füße zuletzt
gar wenig brauchen konnte, da er denn auch fast stets zu Bette
lag." Diese dem Schmerz überlegene Gewalt des Geistes, die
Leibniz für seine Arbeiten aufbieten konnte, erinnert an Kant,
der ähnliche Schmerzen durch die bloße Willensenergie, den mo
ralischen Entschluß, sich nicht stören zu lassen, aufwog. Ge
wiß, ein solcher Heroismus im Studirzimmer darf mit den größ
ten Beispielen menschlichen Heldenmuths wetteifern.
IV.
Die deutsche Aufklärung.
I. Leibniz und Kant.
Wir haben die innerste Triebfeder kennen gelernt, welche
die geistige Persönlichkeit unseres Leibniz in Bewegung setzt. Uni
versalität in dem fruchtbaren Sinn der Vermittlung und Ueber
einstimmung , die das Entgegengesetzte versöhnt, das Verschiedene
vereinigt, überall die Harmonie der Dinge begreift und bezweckt,
bildet das durchgängige Hauptziel in seinem Leben und Denken.
Zn diesem Geiste sucht er eine universelle Philosophie, ein
der Vernunft gemäßes Christenthum, eine diesem Christenthum
entsprechende Kirche, befördert die allgemeine Civilisation, orga-
nisirt das Reich der Wissenschaften, verwaltet Bibliotheken,