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menheit der andern vorgezogen wissen. Er hat richtig geurtheilt.
Als bloße Natur wäre die Welt ein endloses Stufenreich von
Monaden, also ein System immer wachsender Vollkominenheit.
Allein die Welt ist nicht bloß Natur, sondern zugleich Schöpfung.
Als Schöpfung ist sie die vollkommenste Welt, und es leuchtet
ein, daß dieser höchste Grad der Vollkommenheit niemals die
wachsende sein kann, die ja den höchsten Grad niemals erreichen
würde. Die Schöpfung bildet nothwendig ein System ewig
gleichmäßiger Vollkommenheit, denn das Reich der Wesen ist hier
abgeschlossen durch einen höchsten Zweck und einen letzten Grund,
die beide in dem göttlichen Wesen selbst ihren Bestand haben*).
Die Summe der natürlichen Theologie (Physikotheologie)
faßt sich mithin in folgenden Hauptbegriffen zusammen. Gott
schafft und ordnet die Welt; in dieser natürlichen und mora
lischen Weltordnung offenbart sich die göttliche Macht und Weis
heit. Die Weltordnung ist die Offenbarung Gottes. Den Be
griff Gottes, dessen Offenbarung Natur und Welt ist, nennen
wir Deismus. Diese von Gott geschaffene Welt ist unter allen
möglichen Welten die vollkommenste und beste. Daß die wirk
liche Welt die beste sei, behauptet der Optimismus. Aber
in der wirklichen Welt finden sich überall Unvollkommenheit und
Uebel. Wie kann in der vollkommensten Welt das Unvollkom
mene , in der glücklichsten Welt das Uebel, in der besten Welt
das Böse existiren? Wie läßt sich mitten unter diesen Unvoll
kommenheiten der wirklichen Welt rechtfertigen, daß sie in Wahr
heit die beste ist? Diese Frage löst die Theodicee. So ent
wickelt sich das System der natürlichen Theologie als Deismus,
Optimismus, Theodicee.
*) Vgl. oben Capitel VII. dieses Buchs. Nr. III. 2. S. 475flgd.
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