Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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das Gefängniß der Vernunft erscheine. Ist der Glaube seiner 
Natur nach vernunftwidrig, so ist es ja klar, daß die Vernunft 
mit dem Rechte ihrer Natur ungläubig sein darf. Ist sich die 
Vernunft ihrer Rechte bewußt, so wird es nicht fehlen, daß sie 
diese Rechte gebraucht, die sie nur so lange nicht ausübt, als sic 
dieselben nicht kennt. Das ist der große Unterschied zwischen dem 
Zeitalter eines Bayle und dem eines Tertullian. Die Welt, in 
der Bayle lebte, wollte, wie dieser selbst, lieber mit der Ver 
nunft ungläubig, als mit den Glauben unvernünftig sein. 
7. Leibniz und die deutsche Aufklärung. 
Gegenüber dieser schlimmen Wahl zwischen Unglaube und 
Unvernunft sucht Leibniz in dem Vernunftglauben oder in der Ver 
nunftreligion die einzig mögliche Rettung. Vernunftglaube ist 
nur dann möglich, wenn die Vernunft den Glauben begreifen, 
wenn der Glaube mit der Vernunft übereinstimmen kann. Nun 
enthält die geoffenbarte Religion in ihren Glaubenssätzen ohne 
Zweifel viel Unbegreifliches (Irrationales). Wie soll das Unbe 
greifliche mit der Vernunft vereinigt und von dieser begriffen wer 
den können? Nur durch jene Unterscheidung, die Leibniz nicht 
auf Kosten seiner Grundsätze erfindet, sondern die ihm kraft der 
selben geboten ist. Was in dem Unbegreiflichen widersinnig ist, 
das ist niemals Glaubenssache, und was darin nicht unvernünftig 
oder undenkbar ist, das gilt als übervernünftig. Von dem Ueber- 
vernünftigen begreifen wir sehr wohl, daß es ist, denn wir be 
greifen sehr wohl, daß es höhere Wesen als wir, also auch eine 
höhere Vernunft als die unsrige geben müsse. Wir begreifen aber 
von dem Uebervernünftigen auch nur, daß es ist, nicht warum 
es so ist, oder wie Leibniz sagt, wir begreifen nur das mi, nicht 
das Sion. Das Uebervernünstige (Uebernatürliche) darf und soll
	        
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