Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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dem sie seinen psychologischen Factor, die im Schönen thätige See 
lenkraft, darthut oder doch andeutet. Jedes wahre Gedicht, sagt 
irgendwo Göthe, müsse dunkel sein. Er meinte damit die geheim 
nißvolle Schöpfungskraft, den unwiderstehlichen Zauber, der je 
dem ächten poetischen Werke, jeder ächten ästhetischen Vorstellung 
inwohnt. Auf eben dieses Dunkle, Verborgene, ich will sagen 
Irrationale in der ästhetischen Gemüthsstimmung deuten die leib- 
nizischen Sätze. Sie wollen mit unverkennbarer Absicht die ästhe 
tische Vorstellung psychologisch erklären und bilden in dieser 
Hinsicht weit mehr als Baumgartens Theorie den Ausgangspunkt 
für die Schönheitsbegriffe der Aufklärung. 
3. Leibniz und Kant. 
Diese psychologische Erklärung des Schönen nimmt schon die 
Richtung auf die kritische Lehre, und sie hätte nur der Ausführung 
bedurft, um Leibniz auch in der Aesthetik als den deutlich bezeich 
neten Vorgänger Kants erscheinen zu lassen. Ist nämlich das 
Aesthetische, wie sich Leibniz ausdrückt, eine dunkle Perception, so 
ist es eine Gemüthsstimmung, und zwar als Perception der Harmo 
nie eine solche Gemüthsstimmung, worin nichts als die Vorstellung 
der Harmonie wirksam und gegenwärtig ist. Mithin besteht das 
Aesthetische auch nach Leibniz in einer harmonischen Gemüthsstim 
mung, in dem Gefühle der Lust oder Unlust, und da Stimmungen 
oder Gefühle niemals durch Begriffe ausgedrückt werden können, 
so durfte Leibniz so gut als Kant von dem Schönen sagen, daß 
es ohne Begriff gefalle. Aber der Unterschied zwischen beiden 
liegt in der Art, wie sie das Verhältniß zwischen der ästhetischen 
und logischen Erkenntniß oder zwischen dem Schönen und Wah 
ren auffassen. Bei Beiden besteht das Aesthetische in der gefühl 
ten Zweckmäßigkeit oder Harmonie: aber bei Kant bildet dieses
	        
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