Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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große, die von den frühern Philosophen keiner genau und gründ 
lich entdeckt hat. Keiner nämlich hat die Elemente erkannt, die 
das unsagbare Wesen der in ihrer Art einzigen Individualität, 
den Kern des Menschen ausmachen, aus dem sich die Früchte 
des Geistes entwickeln. Wir meinen den von geheimen, im Hin 
tergründe des Bewußtseins thätigen Seelenkräften allmählich ge 
stimmten Grundton des Willens, der jeder menschlichen Persön 
lichkeit ihre eigene Art giebt und die feste Besonderheit des Cha 
rakters bildet. „Es ist Nichts in unserem Verstände," sagt Leib- 
niz, „das nicht in der dunklen Seele als Vorstellung schon ge 
schlummert hätte." Ebenso ist Nichts in unserm Charakter, das 
nicht in eben jenem Schacht unseres Innern als Willenszug an 
gelegt und vorbereitet worden. Nichts wird von uns deutlich er 
kannt, das wir nicht vorher dunkel vorgestellt haben; Nichts wird 
von uns deutlich gewollt, das wir nicht vorher dunkel und gleich 
sam instinctiv erstrebt haben. 
Erwägen wir, wie dem menschlichen Mikrokosmus gerade 
in seiner verborgenen Tiefe das achtzehnte Jahrhundert seine wis 
senschaftliche und poetische Aufmerksamkeit mit besonderer Vor 
liebe zuwendet; wie hier die eigenartige Individualität mit so 
vielem Eifer beobachtet, in so vielen Selbstbekenntnissen und 
Autobiographien dargestellt wird: so sehen wir, wie es Leibniz 
ist, der in dieser Richtung dem Jahrhundert die Fackel voranträgt. 
Seine Theorie von den „kleinen Vorstellungen", von welcher 
Seite wir dieselbe betrachten und würdigen, erscheint uns in jedem 
Sinne als der eindringlichste und fruchtbarste Begriff der Monaden 
lehre, die durch ihre ganze Anlage und Richtung in der Verfassung 
war, diese Entdeckung zu machen. Zn keiner Untersuchung die 
ser fein durchdachten Philosophie habe ich lebhafter bewundert, 
wie Leibniz mit der eindringenden Unterscheidungskraft seines Ver-
	        
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