Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

545 
demselben Sinne die Vorstellungen angeboren sein, als dem Kör 
per die Organe? 
Indem Leibniz das System der Harmonie gegen Bayle ver 
theidigt, bezeichnet er einmal die Vorstellungen oder die Gedan 
ken als die Organe der Seele, als die Instrumente, womit die 
Seele ihre Gesetze ausführt*). Warum soll von diesen Organen 
nicht gelten, was von allen übrigen Organen ohne Ausnahme 
gilt? Wenn unserm Geiste darum Nichts angeboren ist, weil es 
nicht gleich Erkenntnisse oder entwickelte Begriffe sind, so ist in 
diesem Sinn auch dem Körper kein Sinnesorgan, auch der 
Seele kein Körper angeboren. Die Sinne, weil sie nicht sogleich 
empfinden, sind eben so gut tabula rasa, als der Geist, weil 
er nicht sogleich erkennt. Ist imiü gleich connu, so ist der Un 
terschied aufgehoben zwischen Virtualität und Virtuosität, und 
Locke müßte folgerichtig erklären: wo keine Virtuosität ist, da 
ist auch keine Virtualität; wo die entwickelte Kraft fehlt, da fehlt 
die Kraft überhaupt; wo keine Erkenntniß ist, da sind auch keine 
Begriffe; wo keine Empfindung ist, da sind auch keine Organe: 
— Sätze, die nur dann richtig werden, wenn man sie umkehrt. 
Zu Gunsten seiner Voraussetzung müßte Locke nicht bloß den Geist, 
sondern auch den Körper in ein ursprüngliches Nichts verwandeln 
und den Menschen überhaupt für tabula rasa erklären. 
Nehmen wir das Angeborensein im Verstände Locke's als 
entwickelte Kraft, so muß es von den Ideen des Geistes eben so 
*) „Bayle wendet mir ein, daß die Seele keine Werkzeuge habe, 
uni ihre Gesetze auszuführen. Ich antworte und habe geantwortet, daß 
sie deren allerdings hat: das sind ihre gegenwärtigen Gedanken, aus 
denen die folgenden hervorgehen, und inan kann sagen, daß in der 
Seele, wie sonst überall, die Gegenwart schwanger sei mit der Zukunft." 
Ttepl. aux reflexions de Bayle. Op. phil. pg. 187. 
Fischer, Geschichte der Philosophie. H. — 2. Auflage. 35
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.