Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

510 
stenz besteht in der körperlichen Verschiedenheit; die harmonische 
Coeristenz verlangt eine Verschiedenheit durch stetige Abstufungen 
und Uebergangsformen d. h. durch unendlich kleine Differenzen. 
Darum können wir uns im genauen Verstände der leibnizischen 
Lehre so ausdrücken: die Differenz der Monaden bewirkt deren 
Coeristenz; die unendlich kleinen Differenzen bewirken die harmo 
nische Coeristenz. Die bloße Differenz oder Materialität ist nur 
die negative Bedingung, ohne welche die Weltharmonie nicht mög 
lich ist; die unendlich kleinen Differenzen oder die Continuität ist 
die positive, durch welche sie besteht, und wodurch Leibniz selbst 
die harmonische Weltordnung erklärt. Worin bestehen die unend 
lich kleinen Differenzen der Monaden? In dem continuirlichcN 
Stufengange oder in den unendlich kleinen Abstufungen der vor 
stellenden Kräfte, die Leibniz gerade da am meisten hervorhebt, 
wo sie das gewöhnliche Bewußtsein und die hergebrachte Philo 
sophie am wenigsten einsieht. Der scheinbar größte Gegensatz der 
Welt besteht zwischen den bewußtlosen und bewußten Erscheinungen, 
zwischen der Natur und dem Geiste. Und gerade hier entdeckt 
Leibniz, wie wir gesehen haben, die unendlich kleine Differenz, 
indem er zeigt, daß es im Geiste Vorstellungen giebt, die nicht 
gewußt, nicht gemerkt werden, und die er deßhalb als „perce- 
ptions petites (perceptions insensibles)“ bezeichnet. Wir über 
lassen es der folgenden Betrachtung, diesen höchst wichtigen und 
vielleicht lehrreichsten Begriff der leibnizischen Philosophie psycholo 
gisch darzustellen, lind nehmen jetzt die „perceptions petites“ 
nur als das wichtigste Beispiel der unendlich kleinen Differenzen 
überhaupt oder der naturgemäßen Continuität, da sie den Gegen 
satz zwischen Natur und Geist, den größten Gegensatz, den es 
giebt, in eine solche unendlich kleine Differenz auflösen. Ich 
sage: auf diesen Begriff gründet Leibniz in positiver Weise den
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.