Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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Ganzen. Es ist darum unmöglich, daß die Vorstellung des 
Ganzen im Individuum dem Ganzen selbst jemals vollkommen 
gleich werde und den ungetrübten, völlig deutlichen Ausdruck 
desselben erreiche. Vielmehr ist jede Individualität eine beschränkte, 
inadäquate Vorstellung des Ganzen, und da jede inadäquate 
Vorstellung eine Trübung oder einen Mangel an Klarheit leidet, 
so ist jedes Individuum eine unklare Vorstellung des Gan 
zen oder ein verworrener Mikrokosmus. Es ist die 
thätige Kraft in der Monade, welche macht, daß ihre Vorstel 
lung auf das Ganze gerichtet ist, oder, was dasselbe heißt, daß 
jedes Wesen nach dem Höchsten strebt; es ist die leidende (be 
schränkte) Kraft, welche dieses Streben hemmt und nach dem 
Maße der jedesmaligen Individualität der Vorstellung des Gan 
zen eine unübersteigliche Grenze setzt, so daß in keiner Monade 
der Mikrokosmus klar, sondern in jeder bis auf einen gewissen 
Grad verdunkelt, bis aus einen gewissen Grad verworren ist, in 
der einen mehr, in der andern weniger. „Alle Monaden streben 
verworren nach dem Unendlichen, nach dem Ganzen")." Sie 
müssen streben, denn sie sind kräftige Naturen; sie streben „nach 
dem Ganzen", denn sie sind Mikrokosmen. Und warum ist die 
ses Streben verworren? Weil innerhalb der festen und jeder 
Individualität eigenthümlichen Naturschranke die Vorstellung des 
Ganzen nie vollkommen aufgeklärt und darum das Streben nach 
dem Unendlichen nie vollkommen erfüllt werden kann. Die 
Monaden mögen sich jenem höchsten Ziele unendlich annähern: 
immer bleibt zwischen dem Ganzen und Einzelnen eine Ungleich 
heit, die niemals ganz verschwindet und auch in dem höchsten In 
dividuum die Vorstellung des Ganzen unangemessen, undeutlich, 
*) Elles vont toutes confusement a l’iniini, au tout. Mo 
nadologie. Nr. 60. Op. phil. pg. 710.
	        
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