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Wesen angetroffen werden, daß selbst die äußerste, dem Scheine
nach vollendete Gleichheit in der That nur eine verschwindende
oder unendlich kleine Ungleichheit ist, „und diese Verschiedenheit
ist immer mehr als bloß numerisch *)", da sie auf dem Wesen der
Dinge beruht. In der leibnizischen Weltanschauung erscheinen
uns die Dinge wie eine wohlgeordnete Familie, worin alle Glie
der verwandte, analoge, von dem Geiste der ganzen Familie er
füllte Wesen sind und dennoch jedes für sich eine eigenthüm
liche, von allen andern verschiedene Individualität bildet: eine
Individualität, die durch den Familiengeist und die Familien
ähnlichkeit, der eine mag noch so innig, die andere noch so her
vortretend sein, nicht vertilgt, sondern vielmehr gehoben und be
jaht wird. Gerade die Verwandtschaft und der Familiengeist
anerkennt und bewahrt seine Individuen bis in ihre kleinsten Ei
genthümlichkeiten, während sich die öffentliche Rechtsordnung,
das abstracte unpersönliche Gesetz, gleichgültig oder ausschließend
dagegen verhält. Je schärfer die Eigenthümlichkeiten ausgeprägt
sind, je verschiedener die Anlagen und Kräfte der einzelnen Fa
milienglieder, um so reicher und fruchtbarer ist das zusammen
gehörige Ganze.
I.
Die verschiedenen Mikrokosmen.
In der großen Weltsamilie sind alle Dinge Mikrokosmen,
aber jedes in seiner eigenthümlichen Weise nach dem Maße seiner
Kraft und Anlage. Sie sind verschiedene Mikrokosmen; in je
dem Einzelnen ist das Ganze vorgestellt auf eine besondere, schlecht
hin unvergleichbare, nur diesem Dinge eigenthümliche Weise.
*) Leur di ff ereil ce est toujours plus que numerique.
Noirv. 688. Avaut-propos. Op. phil. pg. 199.