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Leibniz, was die persönliche Unsterblichkeit des Menschen betrifft,
mit der Religionslehre überein; nur liegt die große Differenz
beider darin, daß nach theologischen Begriffen jener Unsterblich
keit der natürliche Tod, dagegen nach leibnizischen die natürliche
Unsterblichkeit vorausgesetzt wird. Ware der Mensch nicht im
natürlichen Sinne unsterblich, so wäre auch im moralischen Sinne
die Unsterblichkeit nicht möglich. Aber dieser Unterschied in den
Grundbegriffen hindert nicht, ja bewirkt vielmehr, daß Leibniz
die persönliche Unsterblichkeit des Menschen strenger und folge
richtiger behandelt, als es bei vielen Theologen der Fall ist, daß
er mehr als diese mit den religiösen Vorstellungen, mit den bib
lisch-christlichen Lehren übereinkommt und deren Bedeutung tiefer
zu begründen, genauer zu rechtfertigen versteht. Eben darum,
weil bei ihm die persönliche Unsterblichkeit im genauen Sinne des
Worts eine individuelle ist, während die religiöse Einbildung ge
wöhnlicher Art sich gern in die Vorstellungen von reinen Seelen
und ätherischen Körpern verliert.
Wenn nämlich die moralische Unsterblichkeit auf der natür
lichen beruht, so besteht das natürliche Individuum fort als dieser
so bestimmte Charakter, und es ist schlechterdings unmöglich, daß
vollkommen vertilgt werde, was in diesem Individuum einmal
geschehen ist. Mit der Schuld, in die jeder Mensch nothwendig
geräth, bleibt auch das Schuldbewußtsein, und wie dieses immer
einen Zustand innerer Qual oder Strafe in sich schließt, so giebt
es eine ewige Dauer der Strafen. Natürlich muß die Strafe
ewig sein, wenn es die Schuld ist; die Schuld muß ewig sein,
wenn es das (schuldige) Individuum ist. Mußte Leibniz das
letztere behaupten nach den strengsten Grundsätzen seiner Philo
sophie, so konnte er nicht umhin, die Ewigkeit der Höllenstrafen
zu lehren und in diesem Punkte die altherkömmlichen Religions