Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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ausgesetzt nämlich, daß eine Ableitung der Seelen oder Formen 
überhaupt möglich ist. Entweder wird der Ursprung der Seele 
in den Körper oder in andere Seelen gesetzt, wenn inan nicht 
etwa zu der übernatürlichen Auskunft greift, wonach die Entste 
hung jeder Seele eine besondere göttliche Schöpfung erfordert, 
so daß der von Naturkräften hervorgebrachte Körper seine Seele 
unmittelbar von Gott empfängt. Die natürliche Erklärungs 
weisehat zwei Wege: sie behauptet entweder die Theorie der Educ- 
tion, welche die Seele aus der Materie ableitet, wie etwa aus 
dem Marmorblock eine Figur gemacht wird, oder die der Traduc- 
tion, welche die Seelen aus anderen Seelen entstehen läßt auf 
dem Wege der Mittheilung, die im Augenblick der Zeugung statt 
findet, wie sich etwa an einem Feuer ein neues entzündet. In 
dessen sieht man leicht, wie beide Vorstellungsweisen unvermögend 
sind, den Ursprung der Seele zu erklären. Die Eduction hebt 
die Ursprünglichkeit der Seele auf, indem sie dieselbe aus dem 
Körper herleitet; die Traduction dagegen, indem sie die Entste 
hung der Seele aus andern Seelen ableitet, setzt voraus, was 
sie eben erklären sollte, nämlich das Dasein und den Ursprung 
der Seelen. Auch muß sie, damit aus einer Seele eine neue 
entstehen könne, der Seele überhaupt ein Vermögen der Mitthei 
lung zuschreiben, welches mit dem wahren Begriffe der Indivi 
dualität und Eigenthümlichkeit streitet. Wenn die Seele nicht ge 
theilt werden kann, wie kann sie mitgetheilt werden ? Wenn sie ih 
rem Wesen nach untheilbar ist, wie soll sie mittheilbar sein? So 
verfehlen beide Erklärungsweiscn die wahre Natur der Seele, tn= 
dem sie sich bemühen, deren Ursprung darzuthun: die Eduction 
verneint die Ursprünglichkeit (metaphysische Priorität) der Seele 
und macht aus der nothwendigen, substantiellen Form des Kör 
pers eine zufällige und accidentelle; die Traduction setzt den Ur-
	        
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