Volltext: Leibniz und seine Schule [2. Band] (2,2 / 1867)

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nicht vermocht haben, eine natürliche Moral, eine natürliche 
Theologie begründen und so die Schätze heben, welche den eigent 
lichen Reichthum der deutschen Aufklärung bilden, zugleich die 
Tiefe und die Oberfläche dieser philosophischen Bildung des acht 
zehnten Jahrhunderts. In jener Abhandlung, der wir mit Vor 
liebe folgen (über das Wesen der Natur und die natürlichen 
Kräfte und Handlungen der Dinge), sagt Leibniz: „der Zweck 
begriff ist nicht bloß zur Tugend und Frömmigkeit in der Sit 
tenlehre und natürlichen Theologie nützlich, sondern auch selbst 
in der Physik, um deren verborgene Wahrheiten aufzufinden und 
zu enthüllen*)." — „Anstatt die Zweckbegriffe auszuschließen," 
schreibt Leibniz an Bayle, „muß man vielmehr Alles daraus in 
der Physik ableiten. Das hat schon Socrates im platonischen 
Phädon mit bewunderungswürdiger Weisheit bemerkt, wenn er 
gegen den Anaxagoras und die andern zu materialistisch gesinnten 
Philosophen redet, die wohl einsehen, daß es ein intelligentes 
Princip über der Materie geben müsse, dieses Princip aber in 
ihrer philosophischen Welterklärung selbst nicht zur Anwendung 
bringen. „„Das ist"" (sagt Socrates), „„als ob Jemand 
von mir sagen wollte: Socrates sitzt im Gefängniß und erwar 
tet den Giftbecher, er ist nicht fort zu den Böotiern oder andern 
Völkern, wohin er sich hätte retten können! Warum? Weil er 
Knochen, Muskeln, Sehnen hat, die sich so biegen können, wie 
es nöthig ist, um zu sitzen'. Bei den Göttern! diese Knochen und 
Muskeln würden nicht hier sein, wenn nicht meine Seele geur- 
theilt hätte, daß es des Socrates würdiger sei, zu leiden, was 
die Gesetze seines Vaterlandes befehlen**)."" 
*) De ipsa natura etc. Nr. 4. Op. pliil. pg. 155. 
**) Extrait d’une lettre ä Mr. Bayle sur un principe gene 
ral utile a l’explication des loix de la nature (1687). Op. phil. 
pg. 106. Vgl. Lettre ä l’abbe Nicaise (1697) pg. 139.
	        
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