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Während Spinoza der classischen und scholastischen Philosophie
auf das Schroffste entgegensteht, so ist Leibniz den Begriffen
jener beiden Zeitalter eben so innerlich verwandt, als er sich aus
wissenschaftlichen Gründen und zugleich aus persönlicher Nei
gung vom Spinozismus abwendet. Was dieser vermöge seiner
Grundsätze ausschließen mußte, das schließen die leibnizischen
Principien wieder ein, und gerade die Begriffe, welche Spinoza
für leere Trugbilder der Imagination erkannt hatte, erhebt Leib
niz auf den obersten Rang der Metaphysik. Der ausschließende
Charakter des Spinozismus war die Einseitigkeit dieser Lehre. Die
leibnizische Philosophie dagegen erblickt von ihrem Standpunkt
alle Systeme, sie versöhnt deren Gegensätze, sie bemächtigt sich
ihrer Wahrheiten, und indem sie so eine Weltgeschichte von Be
griffen in ihrem Principe vereinigt, bildet sie ein allseitiges und
universelles System. Wie die Systeme, so die Philosophen. Spi
noza führte in seinem ausschließenden und einseitigen Systeme ein
einseitiges, ausschließendes, von der Welt verlassenes und verfolg
tes Leben. Leibniz dagegen in Uebereinstimmung mit dem univer
sellen Charakter seiner Philosophie führt ein allseitiges, vielbeschäftig
tes, von den mannigfaltigsten Weltintereffen bewegtes Dasein.
Was aber wichtiger ist, als dieser persönliche Unterschied,
das sind die Schicksale, welche vermöge ihrer Charaktere die Sy
steme beider gehabt haben. Eine so einseitige und ausschließende
Philosophie, wie die Lehre Spinoza's, konnte bei ihrer starren
Einförmigkeit immer nur einzelne Geister anziehen und nur den
wenigsten zugänglich werden; sie vermochte weder eine Schule zu
stiften noch weniger den Gesammtgeist eines Zeitalters pädagogisch
zu durchdringen. Dagegen die leibnizische Philosophie in ihrem
weiten Gesichtskreise, der sich über die christliche Welt bis an die
äußersten Grenzen des classischen Alterthums ausdehnt, bei dem