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des eigenthümlichen Daseins auf dem Standpunkte der atomisti-
schen Vorstellungsweise eine zufällige oder grundlose Thatsache.
In den leibnizischen Substanzen dagegen ist mit der Kraft die
Selbstthätigkeit, mit dieser die Selbstunterscheidung, also die
eigenthümliche Bildung oder das Formprincip von Natur gege
ben. Darin besteht zwischen ihm und den Atomisten der durch
greifende Unterschied.
2. Rehabilitation der antiken Philosophie.
Wie von den Atomisten, so unterscheidet sich seine Lehre von
der gesummten Corpuscularphilosophie und überhaupt von der
materialistischen Erklärung der Dinge. Dieser gegenüber steht
Leibniz auf Seiten der formalistischen Richtung. Formalistisch
nämlich nennen wir diejenige Philosophie, die auf die Formen der
Dinge gerichtet ist; die sich klar macht, daß diese so verschiedenen
und gesetzmäßigen Formen unmöglich vom Spiele des Zufalls ab
hängen können; daß sie zufällig wären, wenn die formlose Materie
das erste und einzige Wesen der Dinge ausmachte; daß daher im
Ursprünge der Dinge selbst mit der Materie zugleich deren For
men begründet sein müssen. Wenn die Dinge durchgängig nach
Form und Materie bestimmt sind, so erklärt die Corpuscularphilo
sophie und der Materialismus überhaupt von den Dingen nur die
eine materielle Seite; es ist daher eine höhere, ergänzende Phi
losophie nöthig, welche auf die Formbildung der Natur ihr Nach
denken richtet. Nun erwacht das Interesse an der Form überall
und mit psychologischer Nothwendigkeit, sobald sich das mensch
liche Bewußtsein über die stoffliche Betrachtung der Dinge erhebt.
Diesen Aufschwung nimmt aus natürlichem Bedürfniß das künst
lerische und religiöse Denken, die ästhetisch und moralisch bedingte
Weltanschauung: darum wendet sich sowohl in der griechisch-
Fischer, Geschichte der Philosophie II. — 2. Auflage. 22