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III.
D i e letzten Jahre,
l. Tod der Königin.
Mit dem Tode der Königin Sophie Charlotte (den 1. Fe
bruar 1705) hatten Leibniz' Stellung und Aufenthalt in Ber
lin nicht bloß ihre mächtigste Stütze, sondern auch für ihn selbst
den größten Zauber verloren. Und er fühlte tief die ganze Ge
walt und Tragweite dieses Verlustes. Er war in Berlin, wäh
rend die Königin in Hannover starb. Noch in ihren letzten ern
sten Betrachtungen hatte sie seinen Namen genannt. So oft
Leibniz in seinen Briefen von dem Tode der Königin redet, sind
seine Worte durchdrungen von Schmerz und Bewunderung.
„Ich weine nicht, ich beklage mich nicht," schrieb er an die Pöll-
nitz, „aber ich weiß nicht, woran mich halten. Der Verlust
der Königin scheint mir ein Traum, aber wenn ich von meiner
Betäubung erwache, finde ich ihn nur zu wahr." „Nicht durch
einen schweren Gram werden Sie das Andenken einer der voll
kommensten Fürstinnen ehren, durch unsere Bewunderung wer
den wir es thun." An den Grafen von der Schulenburg schreibt
er einige Wochen nach dem Tode der Königin: „obgleich die Ver
nunft mir sagt, daß das Bedauern überflüssig ist, und daß man
das Andenken der Königin von Preußen ehren soll, statt sie zu
beklagen, so stellt mir meine Einbildungskraft immer diese Für
stin mit ihren unvergleichlichen Vollkommenheiten vor und sagt
mir, daß sie uns geraubt sei, und daß ich damit eine der größten
Glückseligkeiten der Welt, welche ich mir nach menschlicher Be
rechnung für mein ganzes Leben versprechen durfte, verloren
habe." Und in einem mehrere Monate später geschriebenen
Briefe an einen Engländer sagt er: „niemals hat man eine