3. Jüngste Ausgrabungen und Untersuchungen
Im Frühjahr 1928 machten Risse und Setzungen im Mauerwerk des Chores und Triumph—
dogens der Severinskirche eine gründliche Instandsetzung dieser Teile durch das Passauer Land—
hauamt erforderlich, wobei eine zeitweise Schließung nicht zu umgehen war. Durch Einzug einer
eisernen Schlauder, die in dem Chorgewände verankert ist, wurde der Gefahr des Abscheerens
und Ausbiegens tragender Bauteile begegnet. Gleichzeitig mußten die Grundmauern an den
fraglichen Stellen auf ihre Tragfähigkeit geprüft werden. Als hiebei bisher unbekannte An—
schlüsse im Grundmauerwerk zutage traten, tauchte die Frage auf, ob es nicht möglich und an—
gebracht wäre, das ganze Innere einmal einer gründlichen Untersuchung zu unterziehen. Die er—
wähnte wissenschaftliche Feststellung im amtlichen Denkmälerwerk mußte von vornherein dazu
reizen. Etwas mißliches lag allerdings darin, daß die Kirche in kürzester Frist wieder dem
Gottesdienst zur Verfügung stehen sollte. Für die Inangriffnahme der archäologischen Unter—
suchung sprach vor allem die Erwägung, daß bei dem im regelmäßigen Gebrauch stehenden
Gotteshaus die Aussicht auf Durchführung einer solchen Untersuchung nach Beendigung der In—
standsetzungsarbeiten auf mehrere Menschenalter vereitelt sein und die damals gebotene Gelegen—
heit vielleicht überhaupt nie mehr in ähnlich günstigem Maße wiederkehren würde. Es ist in
allererster Linie das Verdienst des der Passauer philos.-theol. Hochschule angegliederten Instituts
tür ostbairische Heimatforschung und seines Leiters Hochschulrektor Dr. Heuwieser, diese Sachlage
rechtzeitig erkannt und die unerläßlichen finanziellen Voraussetzungen zu ihrer zweckdienlichen
Ausnutzung beschafft zu haben. Hiebei fand das Institut wirksame Unterstützung seitens der
Kirchenverwaltung, des bischöflichen Domkapitels, der Stadt Passau, der römisch-germanischen
Kommission des Deutschen Archäologischen Institutes, sowie der Notgemeinschaft der Deutschen
Wissenschaften. Dank dem einträchtigen Zusammenwirken der genannten Stellen konnte im April
1928 mit den ersten gründlichen Forschungen begonnen werden. Die Grabung, die vom Institut
für ostbairische Heimatforschung in Passau im Benehmen mit dem bahyerischen Landesamt für
Denkmalpflege durchgeführt wurde, währte dann mit Unterbrechungen bis Ende August des Jahres.
Die technische Leitung und, soweit die hauptamtliche Tätigkeit es gestattete, auch die Bearbeitung
im einzelnen lagen in der Hand des Verfassers. Untersucht wurde der ganze Kirchenboden mit
Ausnahme weniger örtlich beschränkter Stellen, sowie das aufgehende Mauerwerk des Langhauses
durch Abnahme des Innenputzes und eines Teiles vom äußeren Bewurf. Es liegt in der
Natur der Sache, daß mit solchen Grabungen im ungewissen meist ein erhebliches wirtschaftliches
Wagnis verbunden ist. Im vorliegenden Fall war es umso größer, als sich bald zeigte, daß
ein großer Teil des Bodens von späten Gräbern und Gruftanlagen durchwühlt war und also
kaum mehr wissenschaftliche Ausbeute erwarten ließ. Auf der andern Seite bedingte die Auf—
age, in kürzester Frist wieder alles zuzudecken und den Kirchenraum in tadellosem Zustand zu—
ückzugeben, unverhältnismäßig hohe Kosten. Nur zu bald waren die von den obengenannten
Seiten zur Verfügung gestellten Mittel erschöpft, sie ensprachen jedenfalls nicht dem tatsächlich
erwachsenen Aufwand. Daß das die Grabung unternehmende Institut trotz dieser schwierigen
Lage nicht davor zurückschreckte, die gestellte wissenschaftliche Uufgabe voll und ganz durchführen
zu lassen, möchte hier ausdrücklich hervorgehoben werden. Dank dem Entgegenkommen der Stadt
Passau wurde es sogar noch möglich, im Sommer 10929 in einer Nachtragsgrabung die wich—
tigsten Abschnitte in der nächsten Umgebung der Kirche durch Tastgräben zu untersuchen.
Die Tatkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Grabungsunternehmung wurde nicht ent—
täuscht. Als wesentliches Ergebnis dürfen wir die genaue Kenntnis einer bisher gänzlich ver—
horgenen frühmittelalterlichen Kirchenanlage von eigenartigem Grundriß buchen, die mit ihrem
aufgehenden Mauerwerk zu einem erheblichen Teil noch im jetzigen Langhaus steckt. Sie hat die