Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
einen eisernen Haken hahen... und in do also lange lassen hahen, 
uncz das her die czungen selber aus dem Halse risse‘“1). Etwas anders 
schildert den Vorgang das Wiener Stadtrechtsbuch, wohl aus der 
Mitte des 14. Jh., art. 1492): „so schol man ... im einen stuel seßen 
under die füezz und die zungen slachen oben an ein haken und den 
stuel darnach züchen, das die zunge beleib an dem haken“. Noch ent- 
seglicher ist das Herausziehen der Zunge aus dem Nacken. Ein Urteils- 
bericht von rund 1470%) veranschaulicht den Hergang also: man solle 
den Delinquenten „für sich niderpinden auf ein leiter und im den 
hals hinden aufschneiden und die zung zum nacken herausreißen“. 
Jedenfalls verzeichnet das Passauer Recht diese schrecklichste Strafe 
für den Gotteslästerer nicht. Hier mag das Verfahren ähnlich dem in 
Iglau oder Wien gewesen sein, oder wenn es gnädig ging, wie in Brünn, 
WO es nach dem dortigen Schöffenbuch des Stadtschreibers Johann von 
Gelnhausen (14. Jh.) c. 556 dem Verurteilten gestattet war, sich selbst 
die Zunge mit‘ einem Messer vom Haken abzuschneiden. Schließlich 
könnte noch das bloße Schligen der Zunge oder Durchbohren mit 
einem Nagel in Betracht kommen*). Ein Loskaufen von der peinlichen 
Strafe war in Passau kaum erlaubt, wie dies ja auch das StR. von 
Wien 1221 $ 53 ausdrücklich verweigert°). Wie erquicklich, humor- 
und doch wirkungsvoll mutet gegenüber diesen Härten die Bestrafung 
des Gottfluchers in dem österreichischen Weistume bei Osenbrüggen 
(Panteidinge S. 9) an: „Item, welcher Gott lestert, der soll an leib 
gestrafit werden und der Ambtmann soll Ime zwo aichen hosen 
(= den Stock) anlegen und ain dürre Suppen (= Prügelsuppe) geben!“ 
Es ist bezeichnend für die sittliche Auffassung der Zeit, daß die 
Beleidigung der Eltern in unmittelbaren Zusammenhang mit der 
Gotteslästerung gestellt wurde. Denn auch auf das Lästern der Eltern 
ist im StR. von Passau die grausame Strafe ausgedehnt, wenn auch 
der Begriff der Blasphemie selbst noch nicht, wie im Iglauer StR., in 
der Carolina von 1352 c. 106 und späteren Rechtsordnungen (s. Toma- 
schek 143) auf die Sakramente usw. erweitert erscheint. Hierin ist 
wohl kirchlicher Einfluß zu erkennen. Übrigens werden auch sonst 
Vergehen gegen Eltern unter besonders schwere Strafe gestellt‘). Be- 
treffs der Lästerung der Eltern berührt sich enge mit der Passauer 
1) Tomaschek, Der Oberhof Iglau u. seine Schöffensprüche. 1868, S. 95. 
?) Ausg. v. Schuster 1873, S. 133. 
9) Justizangel. des Bayer. H.StA. M. 287, Nr. 36 u. 37, nach Knapp 401. 
4) Belege hiefür bei His, 518 nebst Lit. 
°) „Qui dominum deum et sanctos suos vituperaverit, abscidatur ei lingua et 
non liceat sibi redimere eam ullo pretio“ ; ebenso das StR. von Wiener-Neustadt, c. 38. 
°) So im Mainzer Landfrieden 1235, latein. Text art. 16 f., (Altmann-Bernheim, 
244 — MG. Constit. II, 241 f.) ; und in vielen Landfriedensgesegen, wie z. B. im baier. 
LF. von 1300 $ 75 (Qu. u. Er. VI, 122 = Rockinger, S. 78): „Ob ein sun sinen vater 
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