Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Art. 12 
Strafe für Blasphemie und Elternlästerung. 
„Swer Got oder die haeiligen schildet oder vater und muüter, dem 
sol man diu zunge an daz hackel legen“. 
schildet: schilt, von schelden: schelten; hackel n.: Häckel, mit eisernen Stacheln 
besegtes Instrument zum Auifschligen der Zunge. 
Lästerung Gottes und seiner Heiligen, ein ausgesprochen 
religiöses Vergehen, wurde bis gegen Ende des Mittelalters von der 
Kirche als vor ihr Forum gehörig behandelt, bis die päpstliche Geseß- 
gebung unter Gregor IX. die weltlichen Gewalten bestimmte, neben 
den kirchlichen Strafen auch weltliche festzusegen. So kam es, daß 
seit dem 13. Jahrhundert die weltlichen Rechtsquellen die Blasphemie 
mit strenger Ahndung, teils in Geld- teils in Leibesstrafen, in besonders 
schweren Fällen sogar mit dem Tode!) bedrohen, zumal das häßliche 
Blasphemieren besonders beim gewöhnlichen Volke immer mehr einriß 
und sich auch später geradezu als unausrottbar erwies?). Das Iglauer 
StR. (13. Jh.) c. 43 steht noch ganz unter dem Einflusse der kirchlichen 
Verfügung (c. 2 X de maledic. V 26), indem es das „statutum papale“ 
wiederholt und hinzufügt: „Si autem se redimere voluerit, det ad 
opus ecclesie XL solidos vel XXX secundum posse suum“. Vor allem 
Geldstrafen segen die alemannischen, besonders die schweizerischen 
Rechte fest?). Unter den peinlichen Strafen werden sehr beliebt wegen 
ihres „spiegelnden“ Charakters*): Verstümmelung, Abschneiden oder 
Ausreißen der Zunge, Strafen, die sonst gerne bei Verleumdung, Mein- 
eid und falschem Zeugnis Anwendung finden®°). Für Blasphemie sind 
sie besonders im baierisch-österreichischen Rechtsgebiete verbreitet®). 
Die Prozedur des „an den Haken Legens der Zunge“ 
war furchtbarer als selbt die Todesstrafe der Enthauptung. Eine Be- 
schreibung bietet {das Iglauer Schöffenbuch c. 158: „die czungen an 
1) Besonders durch Verbrennen wie in Bamberg; s. Zöpfl, Das alte Bamberger 
Recht, 1839, S. 139. 
2) S. darüber z. B. Rieder, Beitr. z. Kulturg. d. Hochstiftes Eichstätt, 10. Krimi- 
nelles. 1891, S, 70. 
3) Osenbrüggen, Das alamıannische Strafrecht, Schaffhausen 1860; S. 385. 
4) „Wodurch man sündigt, dadurch wird man gebüßt“ (Graf u. Dietherr, 
Rechtssprichwörter. 1864, S. 340). 
5) So auch in Passau nach dem StR. von 1225 art. 29; vgl. auch His, 357, 
517 f. nebst Lit. 
6) Betreff Österreichs s. Tomaschek, S. 160 u. 238, bes. das StR. von Enns 1212, 
‚Wien 1221 ($ 53) u. 1244, 1278a u. 1340, Haimburg 1244, Wiener-Neustadt c. 38 
(Ausreißen der Zunge ohne Lösungsmöglichkeit durch Geld); vgl. ferner Osenbrüggen 
a. a. O0. S. 386; für Baiern: die ältesten Statuten der Stadt Regensburg (v. Freyberg, 
V, 55): „dy zung an einen haken datz den nakch ausziehen“; das Regensburger 
Friedgerichtsbuch (a. a. O. 77): „den lemp man an der czung“ (nur Lähmung, weil 
dem Rat im Friedgericht der Blutbann fehlt); s. auch Knapp, Alt-Regensburg 155 f.; 
256 f.; Hinschius, System des kath. Kirchenrechts V, Abt. 1, 5. 3181. 
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