Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
  
  
  
  
  
mit: „Und wirt der selbe ...“ ein neuer Sag, wofür der übliche mittel- 
alterliche Sagbau und nebenbei der große Anfangsbuchstabe in „Und“ 
sprechen könnte, so bestünde für den gewöhnlichen Totschläger bei 
Flucht in Passau nicht die absolute Schuldbejahung, wie sie art. 4 für 
den angesessenen Bürger, der flüchtet, ausspricht. Das wäre gewiß recht 
auffallend. Wie ist es möglich, daß der Vollbürger rechtlich schlechter 
gestellt ist als der gewöhnliche Stadteinwohner (Mieter, kleine Häusler 
oder Seldner, das freie Gesinde, die sog. Muntmannen und nur vorüber- 
gehend in der Stadt verweilende Gäste)? Offenbar trifft das „Schuldig“ 
den entweichenden Vollbürger nur im Falle der „Dingflüchtigkeit“, 
der Flucht vor dem Gerichte. So erklärt die Sagung des Neuburger 
Stadtrechtes 1332 (Haeutle, S. 250) ausdrücklich: „Ist auch, das Er 
(= der Bürger, „der Hauss und hoff in der selben Stat hat oder der 
sonst ain unbeleumbter man ist“) enntweichet von seinen Veindten 
u. den Vogt Damit nit fleuchet u. enbeut Er herwider, das er das 
recht thun u. leyden well u. machet auch das gut, So soll man In 
nichts nötten. Wirt aber er dingkfluchtig, so soll sich das gericht 
Seins guts unnderziehen.“ Sucht er dann in drei Tagen keinen recht- 
lichen Vergleich, so wird mit seinem Vermögen als mit dem eines 
Schuldigen verfahren. Ähnlich bestimmt bei Ladungsungehorsam das 
StR. von Enns 1212 (v. Schwind-Dopsch, 43): „Si vero legitimis ter 
vocatus induciis non venerit, judex eum proscriptum pronunciet“; 
ebenso das von Wien 1221, $ 6 (Gengler, StR. 531). Die gleichen 
oder ähnliche Voraussegßungen mögen auch für die Schuldfrage des 
Nüchtigen Totschlägers im Passauer Stadtrechte art. 4 statthaben. Man 
wird sich also für unbedingte Schuldbejahung bei Flucht in art. 1 und 4 
zu entscheiden haben!). Nur muß dann in art. 1 die Stelle: „so sol 
ez sten an zwain Chorherren“ als der Anfang?) eines conclusiven 
Hauptsages aufgefaßt und „so“ im Sinne von: ‚so dann‘, ‚in diesem 
Falle‘ interpretiert werden, eine Bedeutung, die das Wort auch in 
art. 5 unseres Stadtrechtes zeigt und die überhaupt im mhd. Sprach- 
gebrauche häufig ist, z.B. Ssp. I, 70, $2; vgl. auch Paul, Mhd. Gram- 
matik®, $ 331. 
Wird also der Mörder schuldig, so gilt es, wenigstens durch den 
Griffnach seinem Vermögen dem Kläger und Richter die Möglich- 
keit der Befriedigung und Sühne zu gewährleisten. Auch soll durch die 
') Es mag auch noch als Beweis dafür, daß im Passauer Recht die Flucht 
des Täters diesen unmittelbar schuldig machte, angeführt werden, daß Prinz Ernst 
von Baiern zu der Erl. des Stadtbriefes vom Jahre 1539 hinter art. 54 ausdrücklich 
den Zusa$ anfügte, daß ein Bürger, der bei offenkundigem Malefizvergehen „fluchtig 
austräth, ... von stunnd an Ipso facto das burger Recht verlorn und verwurcht 
habe“. 
?) Das Kopiallibell StA. Passau II, 20, f. 15a schließt den Sab vor: „so soll 
es steen ...“. deutlich mit einem Punkt ab. 
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