Volltext: Das Passauer Stadtrecht

Berücksichtigung der Tatsache, daß bis ins 13. Jahrhundert Fürsten über- 
haupt nicht aus eigener Macht Stadtprivilegien erteilten, da dies bisher 
ein ausschließliches Recht des Königs gewesen war, bedeutete die 
Rechtsverleihung des Bischofs Gebhard an Passau im Jahre 1225 eine 
beachtenswerte Vergünstigung, die allerdings unabweisbaren Not- 
wendigkeiten Rechnung trug. In Österreich gehen als landesfürstliche 
Privilegien ähnlicher Art nur die Stadtrechte von Enns 1212 (v. Schwind- 
Dopsch, 42 f.) und von Wien 1221 (Gengler, StR. 530 £.), beide erteilt 
von dem Babenberger Herzog Leopold VI, voraus!), in baierischem 
Gebiete läuft ihm aus dem Kreise landesfürstlicher oder herrschalftlicher 
Städte keines den zeitlichen Vorrang ab. 
Il. Das Passauer Stadtrecht von 1225. 
Das Stadtrecht Passaus vom Jahre 1225 ist in der damals allein 
üblichen Schriftsprache, der lateinischen, niedergelegt. Seine Ausdrucks- 
weise verrät deutlich die Bekanntschaft mit der Terminologie des 
römischen Rechtes, was wohl begreiflich ist bei einer Urkunde, die 
unter derMitarbeit des mit dem römischen kanonischen Rechte wenigstens 
in einzelnen seiner Mitglieder vertrauten Domkapitels abgefaßt wurde ?). 
Gleichwohl beruhen die Bestimmungen des Stadtbriefes materiell fast 
durchweg auf dem einheimischen, deutschen Rechte, wie z. B. die Ver- 
jährungsfrist von Jahr und Tag, die Perfektion eines Kaufvertrages nicht 
durch bloßen Willenskonsens der Kontrahenten, sondern mittels Leit- 
kaufes, die Schuldnerpfändung erst nach dreimaliger Ladung, das Institut 
1) Das StR. von Wiener-Neustadt, das sog. „Leopoldinum“, früher zwischen 
1221 und 1230 gesetzt, gehört einer späteren Zeit (wohl zwischen 1251 und 1278) 
an; s. Schröder -v. Künßberg 755 und dortige Lit. 
2) Schon die Einleitung (Arenga) klingt an den Wortlaut Justinianeischer 
Institutionen an; es werden Termini des römischen Rechtes, wie emphitoesis (art. 1), 
appellare (art. 19), persona standi in iudicio (art. 25), arrha (art. 31) verwertet; vgl. 
auch Otto Franklin, Beiträge zur Geschichte der Reception des römischen Rechtes 
in Deutschland. Hannover 1863. S. 54. Auch die besondere Betonung der Gnade 
(gratia et misericordia art. 9, Begnadigungswesen art. 6, Asylschutz art. 34) ist 
vielleicht auf kirchliche Einflüsse zurückzuführen, da in kirchlichen Kreisen diese 
Gedanken, zusammenhängend auch mit der Idee der aequitas im kanonischen 
Rechte, schon früh Wurzel gefaßt hatten, und nach einer ansprechenden Vermutung 
von Dr. Wohlhaupter (briefliche Mitteilung, mit Hinweis auf die eigene, noch 
ungedruckte Studie: Aequitas canonica) schimmert dieser Gedanke auch in der 
Wendung des Art. 6, ne forte plus equo ipsi graves esse videamur vel credamur‘ 
durch. Schließlich ließe sich auch auf die wiederholte Hervorhebung der subjek- 
tiven Seite der Verbrechen, des Willens, der Absicht, also des sündhalten Mo- 
mentes, hinweisen (ausu temerario art. 7, hostiliter art. 23, maliciose art. 27, wissent- 
liche Tat art. 7, 13, 14, 35), obwohl das auch sonst im deutschen Recht schon früh 
betont wird; vgl. His S6, 5.68 ff. 
 
	        
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