Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
  
Anwalt (= Vertreter) zurückgelassen habe, jedenfalls aber den Gerichts- 
termin und die klagende Partei anzugeben (tit. II, 4). Ist der Aufenthalts- 
ort des Beklagten nicht zu erfahren, soll der Richter einen öffentlichen 
Ladungsbrief auf den peremtorischen Gerichtstag nach 45 Tagen er- 
lassen und diesen „Verkündbrieff in der Pfarrkirch, darinn der beklagt 
heusenlich wonet, an dreien sontagen nach einander oder andern feir- 
tagen vor der kirchmenig (= Kirchengemeinde) offentlich verlesen und 
berüffen (== verkünden), auch anschlagen lassen“. Auch die Nachbarn 
und Bekannten des Geladenen werden schließlich durch den Gerichts- 
boten vom Inhalte des Ladungsbefehles verständigt und dieser an der 
Wohnung des Beklagten oder dem Rathause angebracht; falls man 
Schikanösen Ladungsungehorsam vermutet, kann auch mit Haussuchung 
eingeschritten werden (tit. II, 4, 5), Wenn nun solche oder ähnliche 
Formalitäten und Bemühungen des Richters und seines Hilispersonales 
gleichwohl nicht zum erwähnten Ziele führten, so war die übliche Folge, 
daß das Gericht gegen den ausbleibenden Beklagten wegen Ladungs- 
ungehorsams vorging. Der Fronbot mußte dabei vor Gericht auf Eid 
erklären, daß er die Ladung gesetömäßig durchgeführt habe, wie die 
Gerichtsurkunde des Passauer StA. I, 126 vom Jahre 1377 lehrt. 
Es bedeutet ein besonderes Entgegenkommen gegen den Beklagten, 
wenn ihm die Passauer Rechtsordnung verstattet, nachträglich sein 
Nichterscheinen vor Gericht damit zu begründen, daß ihn die richterliche 
Ladung nicht erreicht habe, und seine Unschuld durch einen schlichten 
Reinigungseid!) zu beweisen, so daß alle nachteiligen Folgen für ihn 
entfallen. — Gleiche oder ähnliche Bestimmungen, wie die unseres Art. 35, 
finden sich auch sonst?). Im besonderen bieten Belege aus Baiern 
und Österreich: das StR. von Regensburg®), von München 1340, art. 261 
(Auer, 101); von Wiener-Neustadt, c.3, das österreich. LR. art. 3, hs. WN 4). 
Allgemein über das Ladungsverfahren im Mittelalter: Plank, a. a. O. 
I, 339f; Grimm, RA. II, 473. 
Wie sonst allgemein5) wurde auch nach dem Passauer Rechte 
derjenige, der einer dreimaligen Ladung keine Folge leistete, sachfällig 
erklärt; s. hiezu das StR. von 1225, art. 4°); für die spätere Epoche 
die genannte Gerichtsordnung von 1536, tit. III. 
1!) „mit seinem Recht“; über diese Bedeutung von „recht“ s. Planck, Gerichts- 
verfahren II, 20. Über die Beweismittel zur Reinigung im Passauer StR. von 1225 
vgl. Einleitung S. 9f. 
?) Als besonders beachtenswert aus germanischer Zeit sei angeführt, daß 
nach westgotischem Rechte Abwesenheit zur Zeit der Ladung sogar zu den Fällen 
der echten Not zählte; vgl. auch Schmidt, Echte Not S. 23; Schröder-v. Künßberg, 
404, Anm. 84. ; Zi 
3) v. Freyberg, V, 30. 
4) v. Schwind-Dopsch, S. 56. © 
5) Z.B. Ssp. I, 67 $ 1, 2; 70 $ 1; III, 39 83; Schwsp. 101, 314, I; Kl. Kaiser- 
recht I, c. 15. 
6) „si actor querimoniam suam usque ad tercium placitum prosequitur, ut debet“. 
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