Volltext: Das Passauer Stadtrecht

  
Art. 33. 
Strafe für Frevel in einer Kirche oder im Friedhofe. 
„Swer in einer Chirchen oder in einem Chirchofe ein fraevel tut, 
der sol dem Rihtaer zwelif und sehs schilling und des hulde gewinnen, 
des diu Chirch ist, da er inne gefraevelt hat“. 
Die Kirche genießt wegen der Heiligkeit des Ortes während 
des Mittelalters in allen deutschen Stammesgebieten einen Sonder- 
frieden, wodurch die in ihr begangenen, an sich schon strafbaren 
Handlungen schwerer gestraft oder an sich erlaubte Handlungen, wie 
z. B. die lange gestattete ritterliche Fehde, als Verlegungen des Sonder- 
friedens geahndet werden!). Ersteren Charakter zeigt die Passauer 
Bestimmung. Haben wir doch unter „Frevel“ an unserer Stelle allem 
Anscheine nach, wie auch sonst öfter in der mittelalterlichen Rechts- 
sprache, nur geringere oder doch nicht allzugroße?) Vergehen zu 
verstehen. Möglicherweise kommt in unserem Artikel noch die alte 
Bedeutung „Frechheit, Übermut“ in Frage. Man möchte etwa an Ver- 
Iehlungen denken, wie sie die am 30. April 1284 und am 13. Mai 1470 
in Passau abgehaltenen großen Diözesansynoden verbieten, indem c. 24 
bzw. c. 1 und c. 34 der erlassenen Statuten bestimmen, daß in den 
Kirchen und auf den Friedhöfen Ruhe und Ehrerbietigkeit herrschen und 
diese durch keine Gespräche, Verlautbarungen, Lärmereien, Schenken- 
betriebe, Handelsgeschäfte, Märkte oder gar Gerichtssigungen gestört 
werden sollen?®). Gleichwohl beträgt das Wandel 6 sh 12 ‚3, die höchste 
') Vgl. die strengen Strafen für Störung des Kirchenfriedens in der Lex Bajuw. I, 
2,3, 6. Frevel gegen Kirchen im strengen Sinne zählte zu den acht Bannfällen, 
die unter Karl dem Großen in die Volksrechte aufgenommen wurden (Brunner, 
RG. II, 40). Nach dem Laudum Bavaricum (1. Irrung, f. 14b) ist Malefizverbrecher, 
„wer geweicht kirchen haimlich bricht, daraus stilt oder auf ainem geweichtn 
kirchhof frävenlich Rumort, ficht oder der Ir ains mit pluetvergiessn enteret“. 
?) In Eichstätt vielfach nur geringste; s. Rieder, Beitr. zur Kulurg. d. Hochstiftes 
Eichstätt 1890 f., Kriminelles 1. Teil, 105 f.; 7. Teil, 54. Daß unter Frevel im Passauer 
Artikel kaum ein schweres Vergehen verstanden sein will, ergibt sich auch daraus, 
daß solche, in der Kirche begangen, allgemein weit härter bestraft wurden; s. Knapp, 
448 f.; His, 223 f.; Hinschius, a. a. O., V, 1.Abt., 207 f., 226 f. Ausführlich über die 
Bedeutung des Wortes „Frevel“ im MA.: His, 38 f., 481.; Knapp, 2331.; Lexer, 
Mhd. Wb. Allerdings wird dem Missetäter auch die Auflage gemacht, „des hulde 
zu gewinnen, des diu Chirch ist“, und es waren öfter sicher auch schwere finan- 
zielle Opfer, mit denen Gnade und Verzeihung der Gekränkten wiedergewonnen 
werden mußten. 
3) Vgl. Hefele, Konziliengeschichte VI, S. 232 und VIII, S. 190; Hübner, Passauer 
Diözesansynoden S. 18. Kriminalverbrechen stehen kaum in Frage. Freilich be- 
greift das Laudum Bavaricum a. a. O. auch freventliches Rumoren, Fechten usw. 
in die Malefizverbrechen ein und die Erl. des Stadtbriefes 1539, f. 131a bemerkt 
zu unserem art. 33, dieser sei in dem dortigen Schiedsspruche „Erleuttert unnd in 
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