Der Mundartdichter auf seinen triebigen Wanderungen.
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die Volksweisheit hat unser Dichter auch das rechte wort für
Unterweisung und Belehrung. Er ist aber kein bäuerlich verkleideter
Moralprediger, sondern zuerst und vor allem ein Dichter; gerade
darin zeigt der Dichter die größte Kunst, daß er seine irdische
Gemeinde fern von Kirche und Kapelle draußen unter offenem
Himmel mit dem untrüglichen Wahrzeichen der Natur, mit dem
Echoschalle des Lebens selbst zu wecken und zu begeistern versteht.
Der Dichter der Charakterbilder war auch zum Epiker berufen —
,,D' Ahnl" ist der vollendetste Charakter, den die Dorfpoesie
ausweist, ein Mannweib, mit jedem Zug die Innviertlerin ver
ratend. Stelzhamers Dichtungen gehören zunächst dem oberöster
reichischen Bauernstamme aber auch allen Gebildeten an, die mit der
Sprache und dem Anschauungskreis des Dichters vertraut sind. Sie
sind eine ruhmvolle Urkunde deutschen Lebens und deutscher heimat-
liebe." —
Bei Engl heißt es Seite 38: „Stelzhamer nahm diese seine
Sprache jederzeit energisch in Schutz, wo immer er der nicht selten
ausgesprochenen Meinung begegnete, der Dialekt sei nur ein ver
dorbenes hochdeutsch. In dieser Richtung sprach er sich noch vor
zwei Jahren in folgender weise aus: „Die Volkssprache und die
Schriftsprache verhalten sich zusammen, wie der lieblich und lustig
blühende Frühlingsstrauß zum ernst gesenkten und fruchtbaren Herbst
baume. Die Sprache meiner Lieder, der österreichisch-baye
rische Dialekt, ist so alt unverfälscht, wie der bojobarische
volksstamm und reicht demnach weit in die Zeit des Nibelungen-
Liedes (U90—x210), der vorzüglichsten Schöpfung der deutschen,
volksmäßig höfischen Kunstepik zurück, was aus häufigen Worten
und Wortfügungen bewiesen werden kann. Zu bedauern ist, daß bei
der größten Geistestat der Deutschen jene Herren, welche die allge
meine schriftdeutsche Grammatik geschaffen, nicht tiefer herabge
gangen sind zu unseren süddeutschen Mundarten, um dieses aller-
Aostbarste Gut noch kostbarer, reicher und gestaltungsmäßiger zu
machen. Dies ist auch der Grund, daß sich gerade zu unserer Zeit die
Dialekte so lebhaft regen und mutig emporbäumen. Nun aber ist
diese Erscheinung nicht ganz so neu. Schon Walter von der vogel
weide (N60— \2o0) f der trefflichste und vielseitigste aller Minne
sänger in der Blüte der lyrischen Poesie, klagte, daß die „bäurische"
Poesie schier die höfische Dichtkunst zu überwuchern drohe. Deß-
ungeachtet muß man genannten Herren den größten Dank zollen, für
das einigende Band,' das sie durch ihre Grammatik um die ge
samte deutsche Nation geschlungen haben und es ist nur zu wün
schen," schloß er mit nachdrücklicher scharfer Betonung, — „daß des
einigenden Bandes noch viel stärkere Hälfte, der gleiche Katechismus