Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

282 
Die.LebensgeschichtelFranz^Stelzhamers. 
was guckst du am Lenster, 
Mein Liebster, mein Schönster, 
Und kommst nicht herein 
In mein trauliches Rämmerlein? 
Sieh, der Mutter fiel's Auge zu, 
herein, herein, Halunke du — 
Sieh, meine Arme sind offen, 
Mein Leib — — 
Dann wird die schöne Stimme kreischend, und flucht einen 
langen, entsetzlichen Fluch, zugleich bäumen sich zwei geknebelte 
Arme und ein zerrauftes Mädchenhaupt aus einer schlechten Boden 
streu empor, wovon die vergrößerten Schatten an der wand gewaltig 
und furchtbar sind, wie die himmelandräuenden Titanen der Vorzeit. 
Ans ferne Lämpchen taumelt von ihrem Ringen eine Strohfaser und 
verursacht ein blitzähnliches Flackern, da brechen die Riesenbilder an 
der wand zusammen, und ist einen Augenblick Todesstille. 
Ach, Marie, unglückseliges Rind! tönt darauf ein wimmern 
aus der linken Ecke, was schläfst du nicht und bist ruhig, wie du es 
den guten Nachbarsmännern versprochen hast; willst du, daß sie 
wiederkommen? — Ach, ich bin sterbensmatt, gib mir zu trinken! 
Darf nicht, darf nicht! lispelt das Mädchen, meine Hände hat 
mein Geliebter fest in den seinen gefaßt, darf mich nicht regen, 
nicht bewegen, trink deine Tränen, altes Weib, und schlaf ein. 
Bist ein altes, krankes Rind, 
Rannst nicht leben und nicht sterben, 
was wir doch für Bettler sind, 
Müssen warten auf's Verderben! 
Darauf ist wieder eine lange, schauerliche Stille. Die Alte 
liegt im Vorgefühl des nahen Todes, die Junge überwältigt von 
der Macht des Wahnsinns; endlich erhebt sie sich wieder, blickt 
lauschend nach dem Lager der Mutter, ist zufrieden und lispelt 
singend: 
Ram ein Bübchen jung und fein, 
Das konnte zuckersüß geigen; 
Ls geigte drauß' im Mondenschein, 
Ich mußte horchen und schweigen; 
Denn spräch' ich nur das kleinste Wort, 
Lin leises CD, ein stilles Ach, 
Gleich wär' die böse Mutter wach, 
Und jagte mir den Geiger fort. 
Geigei, gingging, gingging, geigei, 
Das war so seine Melodei.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.