Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers. 
Lichtmeer — bis es sonnenhelle Frühe war, wie die Nüchternen 
das Wunder des Morgens kurz und schlechtweg zu nennen pflegen. 
Brüderchen! rief der Zotenfänger in toller Lustigkeit, holl 
mich der — (f)„ hier gefällt mir's, hier wollen wir ein Stündchen 
weilen und rasten, weil wir fo nette Gesellschaft haben, denn die 
Drei, dabei wies er Häuptlings mit keckem Finger empor gegen die 
Bildnisse, sind uns gleich, sind heut Nacht sicherlich auch nicht 
'gangen zu Bett! Der Flucher wollte über den frevelhaften Witz 
lachen, aber es wurde nur ein häßliches Gekrächze. Der Dritte 
verblieb in seinem Schweigen und streckte sich, wie von 
äußerer und innerer Schwere gedrückt, wo er stand, 
am Fuße des rechten Schächerkreuzes, nieder ins tauige Gras, der 
Flucher knackte unter dem Linken zusammen, der Zotische aber ver 
brauchte den belebenden Wärmestrahl, pfiff eine Gassenweise, schnalzte 
mit den Fingern dazu, und tänzelte mit den straffen Beinen, bis er 
ein wenig abseits hintaumelte und die Augen schloß, weil er 
nicht reis war zum Gericht, das jetzt über die beiden Andern erging. 
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auf, wie ein weinender Engel, der neigte sich über ihn und wollte 
mit seinen warmen Tränen sein erhärtetes Herz erweichen; alles, 
was er je Gutes getan und erfahren, trat vor feine Augen, und 
bat und beschwor, wieder gut und des Guten wert zu sein! — Eine 
namenlose Wehmut überkam ihn, ein großer Seufzer hob ihm sein 
niedergedrücktes Haupt in die Höhe, und als er voll Reue und Leid 
fragte: Ach, ist denn ein Rücktritt möglich? war es ihm, als sähe 
er durch den Tränenflor seinen Schicksalsbruder, den Schächer, 
welchem feine Reue noch das j)aradies geöffnet hatte, dreimal nicken, 
dreimal tief und deutlich, dann floß die Träne ab, und viele flössen, 
und mit jedem Tropfen löste sich ein Teil der Last, die sein Herz 
drückte. 
Ganz anders war's bei dem andern. — Aus ihm gingen an der 
Zauberlaterne Erinnerungen seiner Tage und Taten vorüber; aber 
alle verschlang das Ungetüm: Gegenwart, und als sie verschlungen 
waren, wandte es sich um, und sperrte hungriger wie zuvor seinen 
Rachen auf nach den Kommenden. Jeden mußte er ihm würzen 
mit eklem Gräuel und wüstem Fluch, bis er endlich den letzten, 
schandvollsten samt dem Täter erwürgte. 
Hu, das war gräßlich! — Mit beiden Händen fuhr er sich durch 
den Schopf und wühlte darin und kraute, dann mit schrecklicher 
Stimme schrie er: Ich bin, so wahr dies mein Schelmenkopf ist, 
des Teufels, und zu helfen ist mir nimmer! Der 
Schrei weckte den Schläfer und den Träumer, den einen zu Schauder 
und Mitleid, den andern zu Schmach und Hohn.
	        
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