Volltext: Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers 2. Theil [30] (II. Theil / 1932)

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Die Lebensgeschichte Franz Stelzhamers. 
in brandrotem Gefieder mit goldenem Schnabel setzte sich auf deine 
Brust und hackte mit Ungestüm nach deinem Kerzen. Ich sah die 
C)ual deiner Empfindung; aber statt dich zu wehren, Giulio, 
lächeltest du auf unbegreifliche weise süß und selig, wie ein träumen 
des Rindlein. 
Laß ihn hacken, Mutter! jubelte der Jüngling, den feuer 
roten mit goldenem Schnabel— laß ihn hacken, der 
Schmerz ist Wonne! heißt: Liebe. 
Der andere Vogel aber, fuhr die Mutter fort, hatte ein blaß 
gelbes Federkleid und wüste, schielende Augen, sein krummer 
Schnabel war schwarz und seine scharfen Fänge glänzten wie blau 
geglühter Stahl, er fiel dir von hinten ins Genick, und deine 
Empfindung war schmerzvoll, so auch der Ausdruck deines Gesichtes. 
Ich kenne ihn auch! seufzte der Jüngling, den Schwarz 
kralligen, Schwefelgrünen, Giftigen, ich kenne ihn, 
Mutter! es ist der — Neid, und seine Henne heißt: Mißgunst! 
aber, Mutter! dein Traum kann noch nicht aus sein. 
Nein, wahrlich nicht! sprach mit Verwunderung die Mutter. 
Dein herz zuckte und rauchte noch in völliger Frische aus der wunden 
Brust; da ergrimmte gäh — ich konnte nicht erraten, warum? 
— der Flammenrote gegen den Schwefelfarbenen, 
zerriß und verschlang ihn. 
Ich wußte das! rief mit fester Zuversicht der Jüngling. Dein 
Traum, Mutter, ist eine Prophezeiung — dein Tod ausgenommen! 
— er muß ihn verschlingen, der Flammenrote den Lohgelben: die 
Liebe den Neid! 
Dann erzählte Giulio seine gehabte Entzückung, und daß er 
heute auch sonst frohe Post und guten Trost aus der Stadt mit 
heimgebracht habe wegen naher, sicherer Hilfe, und wie man auch 
seines Talentes gedacht, freundlich und aufmunternd, wie nie zuvor. 
Dann weinten sie mitsammen — bang und schmerzlich, dann beteten 
sie mitsammen — lang und herzlich, dann, von der Träne er 
leichtert, vom Gebete gestärkt, redeten sie und hofften mitsammen 
in dunkler Stille, der Mond war hinunter, Licht hatten sie keins. 
Ehe es aber noch Morgen ward, sagte die Mutter plötzlich 
mitten im Gespräche — sie sagte: 
Giulio! mir ward auf einmal eine Wissenschaft, ich habe 
keinen Tag mehr auf Erden — hasche doch — sieh, ein gütiger Engel 
hat sie gesandt! — hasche dort am Fenster die zwei Glühwürmer 
und hebe sie ganz nah an dein Gesicht, daß dich meine Augen noch 
einmal sehen! 
Mutter, teure Mutter! was?
	        
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