Volltext: Matosch-Gedenkbuch [20]

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Staat unb Kirche usw. Dabei müßte das Nationalbewußtsein den Atem 
der ganzen Handlung bilden. Der Zuhörer würde Oberösterreich sehen 
in der Blüte seiner Kultur, bewohnt von einem freisinnigen, echt deutschen 
Bauernvolke, das, vom neuen Evangelium gestärkt, die Fesseln seiner ritter 
lichen Bedränger abwirft und zur Freiheit erwacht. 
Die ganze entbundene Volkskraft, in heroischer: Zügen tätig, müßte 
vor den Zuschauer treten, daß er an dem Bilde der großen Vergangenheit 
sich stärke und sammle für seinen eigenen Kampf. 
Dabei gäbe das Lager der Katholischen und der Ritter Gelegenheit 
genug, um diejenigen zu zeichnen, die sich heute Freunde des Volkes nennen, 
wie damals, und auch die Zwischenstufen der Halben und Unsicherru 
Und dies alles in der Sprache des Volkes, da es ja vorwiegend 
Bauern find, welche die Handlung führen, in der kräftigen Ausdrucksweise 
eines unverdorbenen Volkes. 
Nicht Mundart, auch keine halbe Mundart wie etwa bei Rosegger, 
sondern reines Schriftdeutsch, und zwar nach dem mustergültigen 
Vorbilde von Goethes „Götz von Berlichingen". Welch lebensvolle Szenen 
enthält der große Kampf der Reformation auch auf unserm kleiner: 
heimischen Boden! Auch das heitere Moment läßt sich einflechten, und zwar 
komisch-bäuerlich; freilich wird auch eine lyrische Episode, die das Ganze 
durchzieht, nebenher und doch mit dem Hauptgange der Handlung ver 
bunden, zu erfinden sein. 
Und nun, nachdem der Embryo gegeben, arr seine Pflege! 
9. Juli 1883. Mit meiner Stelle am Mädchen-Erziehungsinstitute ist 
es wieder ex, und soll in größter Sammlung die Habilitationsschrift fertig 
machen, triste Lage. 
22. Oktober 1883. Aus desperater Stimmung zurück zur Freude, zum 
heiteren Spiel der Muse: 3. und 4. der ,,D' Bada-Haochzat" in den 
letzten Tagen entstanden, 1. und 2. (schon älteren Datums) und weitere 
folgen. Die Skizze „Einbruch der Nacht am See" soll dann die erster: 
Linien einer ganz neuen Arbeit zeigen. 
6. November 1883. Folgen die letzten Nummern der ,,D' Bada- 
Haochzat". Mit wahrer Lebensfreude arbeite ich an meiner Habilitations 
schrift. Meine Dozentur ist, soweit menschliche Voraussicht reicht, gesichert. 
Drum geht aber jetzt alles: 
I kunt juch atzn, Urrd paschen dazua, 
Daß dö ganz Weanerstadt hallert, Daß an Dörrischen gfallert. 
1. Juli 1884. Aus meiner Poeterei — Du wirst den Kopf schütteln: 
Die Vögel im Schönbrunner Parke dichten mit mir an einem Liede. Ja, es 
ist so. Anfangs freilich verstanden wir uns kaum; aber willige Aufmerksam 
keit überwand bald das Hindernis, und jetzt geht's prächtig in unverfälsch 
testem Oberösterreichisch. Wenn ich durch den Park gehe (vorn Meidlinger Tor 
nach Hietzing zur Schule oder retour) geht von allen Seiten das Singen 
an. Schier jeden schönen Tag wissen sie euren neuen Text oder wiederhole:: 
mir zum klareren Verständnis, damit ich ja nichts Unrichtiges aufschreibe, 
die alten; denn das Schreiben ist mein Geschäft, da sie zwar Federn genug, 
aber kein Schreibzeug haben. Texte und Arien sind ihr Werk, meines die 
Zusammenfassung derselben in ein Gedicht. Vorderhand habe ich noch vollauf 
zu tun mit der Fixierung ihrer reichlichen Beiträge, die ich ihnen nicht genau
	        
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