Volltext: Matosch-Gedenkbuch [20]

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die alten volkstümlichen Liedchen verdrängte, wie sie Kürenberg und 
Dietmar von Aist gesungen hatten; hier fand er an Leopolds Nachfolger, 
dem Herzog Friedrich dem Katholischen, einen warmen Gönner und Freund, 
so daß er sich auf der Höhe seiner gesellschaftlichen Stellung fühlte. 
Aber mit Friedrichs Kreuzfahrt und Tod (1198) änderte sich das 
Geschick Walthers. Friedrichs Nachfolger wurde dessen jüngerer Bruder 
Leopold VI., der Glorreiche, der im Besitze von Steiermark war. Dieser 
schlug nunmehr seinen Sitz in Wien auf und es scheint, daß er dem Dichter 
minder gewogen war als dessen Meister Reinmar; auch dürfte Leopolds 
ernster, religiöser Sinn, dem die Erledigung der Regierungsgeschäfte vor 
allen Ritterspielen ging, der weltlich heiteren Poesie überhaupt abhold ge 
wesen sein, so daß sich das Leben am Wiener Hof weitaus freud- und 
schmuckloser gestaltete. 
In die Zeit des ersten Wiener Aufenthaltes gehören nun drei Sprüche, 
die Walther in einem der ältesten Töne gesungen hat. Der eine ist eine 
rührende Bitte an den Herzog Leopold, wahrscheinlich vorgetragen, 
als dieser die Regierung in Oesterreich antrat. Als ein Verwaister, als 
den sich Walther nach Friedrichs Tode fühlte, steht der Dichter vor dem 
Tore der Seligkeit und klopft vergebens an, so bescheiden auch seine Bitte 
war; denn nicht um Aufnahme in den Dienst handelt es sich, sondern 
nur um einen kleinen Beweis herzoglicher Gunst. 
In einem zweiten Spruch, einem Scheltlied, legt Walther dem 
Wiener Hofe eine Klage über seinen jämmerlichen Verfall in den Mund, 
der nach Friedrichs Tode eingetreten war. Walther lud mit diesem Spruch 
eine schwere Schuld auf sich; der Herzog war verletzt und Walther mußte 
eines Tages der Stadt Lebewohl sagen, die, wie so viele andere, auch ihn 
in ihr Zaubernetz gesponnen hatte. Ein kindlich frommes Gebet, der 
„Ausfahrtsegen", drängte sich an jenem bangen Wandermorgen 
auf seine Lippe. 
Bitte an Leopold. 
Mir ist versperrt des Glückes Tor. 
Verwaist und arm steh' ich davor 
Und niemand öffnet, ich mag noch 
so klopfen. 
O seht euch nur das Wunder an! 
Es regnet, wie's nur regnen kann, 
Auf mich jedoch fällt nicht ein ein 
ziger Tropfen. 
Mild bist du, Fürst aus Oesterreich. 
Dem süßen Strom des Regens gleich 
Erquickst du Leute und das Land, 
Du bist wie eine schöngeschmückte 
Heide, 
Auf der man viele Blumen bricht. 
O böte nur ein Blättlein schlicht 
Mir deine wundermilde Hand, 
Laut priese ich die süße Augenweide' 
Daran, o Fürst, sei du gemahnt! 
Der Wiener Hof. 
Der Hof zu Wien, der sprach zu mir: 
Gefallen sollt' ich, Walther, dir 
Und tu es nicht; das möge Gott erbarme::. 
Wie war ich einst an Würde reich! 
Kein Hof der Erde kam mir gleich 
Denn Königs Artus Hof: O weh mir Armen! 
Wo sind die Ritter nun und Frau'n, 
Die man bei mir einst konnte schau'n?
	        
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