Volltext: Matosch-Gedenkbuch [20]

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Götter stehend betrachtet; denn daß gerade während des Krieges derartige 
Musikproduktionen nicht schweigen, )haben uns die letzten Jahre zur Genüge 
bewiesen. 
Im übrigen hat der Krieg das Musikleben in Linz nicht stark be 
einflußt. Um die Theateroper. hat er ims. gebracht, ein recht fraglicher . 
Verlust! Der Musikverein hat trotz der Schwierigkeiten, die ihm der ? 
Mangel eines eigenen Orchesters bereitet, seine satzungsmäßigen Konzerte in 
vorzüglicher Weise absolviert. Virtuosenkonzerte hat es in prangender 
Fülle fast jede Woche zwei gegeben. Leider haben keine größeren aus 
wärtigen Orchester, abgesehen von der Militärmusik der Deutschmeister, wie 
dies vor dem Kriege regelmäßig der Fall war, hier konzertiert. 
Wird nun das Ende des Krieges eine neue bessere Kunst und ein 
erhöhtes Kunstbedürfnis bringen, oder werden unsere Hoffnungen auch in 
dieser Richtung wie so vieles andere getäuscht werden? 
Kurz nach Ausbruch des Krieges bin ich bei einem Glase Bier mit 
einem hohen österreichischen Offizier zusammengekommen, einem der besten 
und gebildetsten von allen, die die österreichische Armee aufzuweisen hat. 
Mit Begeisterung sprach er von all dem Guten, daß der Krieg im Gefolge 
haben wird, vor allem von dem seelischen Aufschwung, den er dem Volke 
bringen und von der nationalen Begeisterung, die er entfachen wird, von 
der Umwandlung der die ganze Welt beherrschenden mechanistischen Lebens 
auffassung, deren Streben nach Geld und Gut das ganze Dasein beherrscht, 
in eine ideale Weltanschauung, die die Menschheit und ihre Ziele wieder 
8iib specie aeterni betrachten wird, von der Beseitigung der Auswüchse 
des Kapitalismus mit seiner Ansammlung des ganzen Nationalvermögens 
in den Händen weniger usw. 
Und was hat der Krieg gebracht und wie hat er gerade nach diesen 
Richtungen alle unsere Hoffnungen getäuscht? Hatte er von allem Anfang 
an nur den Kampf um die Weltherrschaft und um Machterweiterung zum 
Ziele, so traten als traurige Folgeerscheinungen nur zu bald ein Sinken 
der ethischen und wirtschaftlichen Moral, keine Aufhebung, wohl aber eine 
Verschiebung der Vermögensansammlung ein. Zu den industriellen Gesell 
schaften und Banken traten die Wucherer- und Preistreiber. Der besser 
situierte Mittelstand sank zum Proletariat herunter. 
Wir werden ein Genie brauchen, das die Welt wieder in das Gleich 
gewicht bringt, einen neuen Christus, einen neuen Luther, einen neuen 
Goethe, keinen Philosophen, der uns den Uebermenschen, wohl aber einen 
Prediger, der uns den Menschen lehrt. Findet sich dieser, so wird wohl 
auch für die Kunst wieder eine bessere Zeit kommen. Es wird wieder eine 
Volkskunst entstehen, die all den nichtigen Krimskrams, der jetzt als Kunst 
gilt, all die wertlosen Nippes, all die modernen Auswüchse in Damen- 
tolletten und den Putz mit dem dazugehörigen Zinserl- und Zanserlwerk 
verdrängen wird. Auch bei uns wird dann wieder eine neue Kunst, eine 
wahre Volkskunst entstehen, denn auch in Oberösterreich, nicht nur an den 
Ufern des Rheins, in Schwaben, in Tirol und Salzburg hat sie einmal 
bestanden. Der alte mittelalterliche Hausrat unserer Bauernhäuser, die 
Trachten vergangener Jahrhunderte, die Bürger-Porträts in den Wohn 
stuben, die Dorfkirchen und ihre künstlerische innere Ausstattung beweisen 
dies. Bis dahin werde ich schweigen und dann erst meine nächste Kunst- 
plauderei schreiben, vorausgesetzt, daß ich es erlebe. 
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