Volltext: Matosch-Gedenkbuch [20]

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die satirisch-politischen Volkslieder, dem „Deutschen Mich!" gewidmet von 
Franz Stelzhamer mit dem Motto: 
Nicht mittoben, nicht mitschreien, Und vernichtend — 
Stehen ober den Parteien, Wie das Schicksal so sein Seher, 
Schlichtend, richtend Gleichviel später oder eher?) 
Interessant genug, aus diesem Weben und Schaffen des Meisters 
hier in diesem kleinen Rahmen eine kleine Skizze darzubieten: 
a) Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. 
Freiheit und Gleichheit — das kaum verhallte Feldgeschrei 
der empörten Völker — Freiheit und Gleichheit — diese allerlieb 
lichsten Klänge für Ohr und Herz des Menschen. Kurz und bündig, gleich 
dem durch Christus verkündeten, menschenbeglückenden Gebot der Liebe, 
ja noch bündiger und kürzer und viel anlockender faßt die alte Schlange 
ihre Lehre in diese zwei Worte — ach, ich erzähl' euch alte Geschichten, 
vom Engelsturz und Sündenfall, aber ich muß, muß sie erzählen des 
Zusammenhanges wegen mit dem neuen! — Eva aß vom Apfel und gab 
auch ihrem Manne Adam davon zu essen. Golt der Herr aber stieß, wie 
vormals die ihm gleich sein wollenden Engel, aus dem Himmel, so das 
arme, verführte Menschenpaar aus dem Paradiese. Scham und Reue 
waren ihre Begleiter, die Wildnis ihre Wohnung, Kummer und Angst ihr 
Ruhekissen, Elend und Not ihre Errungenschaft. Das erste Kind, mit 
Schmerzen geboren, mit Sorgen gehegt und gepflegt, erschlug vor ihren 
Augen das zweite, und das erste gegen Himmel schreiende Blut färbte die 
fluchbeladene Erde. Die Alten weinten und jammerten, allein es war ge 
schehen. Der Same des Totschlägers aber, wie der des Erschlagenen, 
wucherte über der Erde. Es entstanden Völker und Städte, und Tat und 
Untat lieferte Lehre und Geschichte. Da gefiel es Gott dem Herrn, die Herr 
schaft über den Menschen dem Menschen zu überlassen, gleichviel, ob sie sich 
beugten vor dem Gesetz des Weisen oder vor der Keule des Gewaltigen, 
doch Ruhe muß sein und gedeihliche Ordnung, das ist sein Gesetz. 
Und in dieser Überlassung Gottes geschah und geschieht es denn, 
einmal, daß sich die Machthaber vermessen und in ihrem Uebermute meinen, 
gar Gott zu sein, ihre Völker bedrücken und Gewalttat üben und Un 
gerechtigkeit; das andere Mal und eben so oft, daß die alte Schlangenlehre 
ihre Apostel weckt und mit dem Sirenenruf: Freiheit und Gleichheit! die 
Völker betört, daß sie, aller Fesseln los, alles Gesetzes bar, Szepter knicken, 
Kronen brechen und Throne stürzen. Zu Handen die mörderische Wehr, zu 
Häupten Glut und Rauch, zu Füßen Blut und Trümmer, vor- und neben- 
und hinterher Seufzer und Fluch und alles übertönender und erstickender 
Schlachtenbraus — wogt und wütet es ein Viertelstündchen der Ewigkeit, 
dann erlischt die Kraft des zauberischen Bespruches, der Wahnwitz klärt 
sich, die Raserei erkühlt — Vater Adam und Mutter Eva weinen und 
jammern wieder über den Erschlagenen und Erschläger zugleich. Da sie 
aber nicht immer weinen können, so hören sie auf, und fangen an zu beten 
für beide. Das Eebet gibt Trost und Stärkung, daß sie wieder essen 
*) „Radikale und reaktionäre Lieder aus Oesterreich." In Eommendas „Stelz- 
hamer-Bibliographie" nicht aufscheinend, daher wohl im Druck nicht-erschienen. Im Manu- 
skripte vorliegend. -,.C' ", ‘ 
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