Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

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Die Lehre vom Begriff. 
2. Der allgemeine Begriff. 
Der Begriff oder das Subject, wie uns derselbe aus den ent 
wickelten Begriffen der Nothwendigkeit und der Substanz hervorgegangen, 
ist die freie, unbedingte, ursprüngliche, alles in sich begreifende Einheit, 
er ist als solche der allgemeine Begriff oder das Allgemeine, die 
hervorbringende oder concrete, nicht die hervorgebrachte oder abstracte 
Allgemeinheit. Diese letztere macht der Verstand, indem er seine Vor 
stellungen vergleicht, von ihren verschiedenen Merkmalen absieht oder 
abstrahirt, dieselben wegläßt und die gemeinsamen vereinigt. Auf dem 
Wege einer solchen Abstraction und Zusammenfassung entsteht das 
abstract Allgemeine oder Gemeinsame. Es ist ein großer Unterschied 
zwischen dem wahrhaft Allgemeinen und dem Gemeinsamen. So ist 
der wahrhaft allgemeine Wille der vernünftige Wille, der nichts anderes 
will als das dem Begriff oder Zweck eines Volks gemäße, darum auch 
der gesetzgeberische Wille ist oder sein soll, während der gemeinsame 
Wille oder derjenige Wille, in welchem alle Einzelnen übereinstimmen, 
sehr Vernunft- und zweckwidrig sein kann und in vielen Fällen ist. 
Rousseau hat in seinem «contrat social» diesen Unterschied des wahrhaft 
allgemeinen und des gemeinsamen Willens treffend bezeichnet: ernennt 
jenen «la volonte generale», diesen «la volonte de tous», und „er 
würde", wie Hegel richtig bemerkt, „in Beziehung auf die Theorie des 
Staats Gründlicheres geleistet haben, wenn er diesen Unterschied immer 
vor Augen gehabt hätte. Der allgemeine Wille ist der Begriff des 
Willens und die Gesetze sind die in diesem Begriff begründeten be 
sonderen Bestimmungen des Willens." Wenn man die «volonte de 
tons» gleichsetzt der «volonte generale», wie es die französische Revo 
lution unter dem Einflüsse Rousseaus gethan hat, so werden die Ge 
setze nicht mehr von der Staatsgewalt, sondern in den Klubs und auf 
der Straße gemacht. 
Erst aus dem Begriffe des wahrhaft Allgemeinen, angewendet auf 
den Menschen als solchen, erhellt der Begriff der Menschenwürde 
oder der Persönlichkeit, der aus einer Vergleichung der Einzelnen 
niemals hervorgehen, niemals als etwas abstract Allgemeines oder 
Gemeinschaftliches aufgefaßt werden kann. Darüber hat Hegel in seinen 
logischen Vorlesungen eindrucksvoll und bedeutsam geredet: „Das All 
gemeine in seiner wahren und umfassenden Bedeutung ist ein Gedanke, 
von welchem gesagt werden muß, daß es Jahrtausende gekostet hat, 
bevor derselbe in das Bewußtsein der Menschen getreten und welcher
	        
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