Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Die Erscheinung. 
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denen das Ding besteht. Im ersten Fall kommt die wesentliche Viel 
heit, im zweiten die wesentliche Einheit, welche beide zum Charakter 
des Dinges gehören, nicht zu ihrer Geltung. Eben darin besteht der 
Widerspruch im Begriffe des Dinges, eine jener Denkschwierigkeiten, 
die das metaphysische Denken von jeher beschäftigt haben und auch in 
der nachkantischen Zeit von Herbart zu den fundamentalen Wider 
sprüchen gerechnet worden ist, welche die Metaphysik zu bearbeiten und 
zu berichtigen habe? 
II. Erscheinung und Gesetz. 
Wir sind genau in der Mitte des Systems. Die erste Hälfte ist 
von dem Begriffe des Seins bis zu dem des Dinges fortgeschritten; 
den in diesem Begriff enthaltenen und dargelegten Widerspruch voll 
ständig auszulösen, ist die Aufgabe der gesammten zweiten Hälfte. Die 
Auflösung geschieht durch den Begriff des Grundes, der das durch 
gängige Thema der ganzen folgenden Entwicklung ausmacht und mit jedem 
Schritte tiefer ergriffen wird. Alle folgenden Kategorien sind Ent 
wicklungsformen des Grundes: das Gesetz, das Ganze, die Kraft, das 
Innere, die Wirksamkeit, die Nothwendigkeit, die Ursache, der Zweck, 
der Endzweck. 
Das Ding ist sowohl als wesentliche Einheit wie als wesentliche 
Vielheit zu fassen; es ist als wesentliche Einheit Grund, es ist als 
wesentliche Vielheit, als Dingheit mit ihren Eigenschaften, Materien 
und Veränderungen Erscheinung; der Grund, welcher die Erscheinung 
setzt und bestimmt, ist das Gesetz, wie auch der deutsche Ausdruck 
Gesetz diese Bestimmung enthält. Der Widerspruch, der im Begriffe 
des Dinges und seiner Eigenschaften liegt, findet seine nächste Auflösung 
in dem Begriff von Gesetz und Erscheinung. 
Es giebt viele und mannichfaltige Dinge, ebenso giebt es auch 
viele und mannichfaltige Erscheinungen: in der Mannichfaltigkeit und 
im Wechsel der Erscheinungen ist das Gesetz das Constaute, Bleibende, 
mit sich Identische, wie z. B. das Gesetz des Falls in allen Er 
scheinungen fallender Körper. Das Gesetz ist die Einheit in der Er 
scheinung, es ist nicht jenseits der Erscheinung, sondern in derselben 
unmittelbar gegenwärtig und macht deren wesentlichen Inhalt; jedes 
Gesetz hat seinen bestimmten Inhalt, wodurch es sich von anderen Ge- 
1 S. meine Logik und Metaphysik. Buch I. § 62. S. 131—134.
	        
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