Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Der Gegenstand und die Methode der Logik. 441 
Der Widerspruch besteht in dem Streit entgegengesetzter Be 
stimmungen, die Auslösung des Widerspruchs in deren Bereinigung: in 
diesem Sinne darf die Einheit der Gegensätze als das durchgängige Thema 
der hegelschen Dialektik gelten: jene «coincidentia oppositorum», 
welche Giordano Bruno naturalistisch und pantheistisch, Georg Hamann 
religiös und mystisch gefaßt hatte. Darin lag die von Hegel empfundene 
und ausgesprochene Verwandtschaft mit beiden. 
Jede Darlegung eines Widerspruchs besteht in der Verneinung 
einer Denkbestimmung, welche noch eben gesetzt und bejaht werden 
mußte; jede Auflösung eines Widerspruchs ist dessen Verneinung. 
Auf diese Weise bewegt sich das Denken durch zwei Negationen und 
gelangt auf dem Wege der doppelten Verneinung wieder zur Bejahung 
oder Affirmation. Duplex negatio affirmat. Diese doppelte Negation 
hat Hegel „die absolute Negativität" genannt und die Dialektik 
für deren Methode erklärt, welcher Ausdruck nach Art der stumpfen 
und gedankenlosen Unverständnisse für das Bekenntniß einer ungeheuer 
negativen Richtung genommen worden ist, welche darauf ausgehe, alles 
zu ruiniren. Die Methode der absoluten Negativität bedeutet genau 
dasselbe als die Methode der Darlegung und Auflösung der den noth 
wendigen Denkbestimmungen oder reinen Begriffen inwohnenden Wider 
sprüche. Der Widerspruch ist die erste Negation und seine Auflösung 
(Verneinung) die zweite. 
Diese Methode aber besteht darin, daß von den einfachen Be 
griffen zu den zusammengesetzten, von den unmittelbaren zu den ver 
mittelten, von den unbestimmten zu den bestimmten, von den abstracten 
zu den concreten oder, um alles in einem zu sagen, von den niederen 
zu den höheren, von dem niedrigsten zu dem höchsten, Glied für Glied, 
fortgeschritten wird. Diese Art der Fortschrcitung giebt dem Processe 
des logischen Denkens den Charakter einer Stufenreihe oder einer 
Entwicklung. 
Wir kennen schon aus der Phänomenologie das Verhältniß der 
niederen zu den höheren Stufen und umgekehrt. Es verhält sich mit 
den Stufen der Begriffe, wie mit denen des Bewußtseins. Die höhere 
Stufe ist die Wahrheit der niederen, denn sie ist in ihr angelegt, 
erstrebt, gewollt; die niedere Stufe ist in der höheren aufgehoben 
in jenem doppelten und dreifachen Sinn, den wir in der Phänomeno 
logie schon angetroffen und erörtert haben, als es sich um das Ver 
hältniß der sinnlichen Gewißheit zum wahrnehmenden Bewußtsein
	        
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