Volltext: Hegels Leben, Werke und Lehre. [8. Band. Erster Theil] (8,1 / 1901)

Herkunft und Lehrjahre. 
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nun ein politischer Club gegründet, die Tageszeitungen eifrig gelesen, 
die Ereignisse besprochen, und die Begeisterung ging so weit, daß eines 
Sonntags an einem heiteren Frühjahrsmorgen die jungen Freiheits 
schwärmer hinauszogen und auf einer Wiese bei Tübingen nach fran 
zösischen! Muster den Freiheitsbaum pflanzten. Darunter waren auch 
Hegel und Schelling. Die Sache wurde ruchbar, und der Herzog Karl 
erschien selbst, um den Sturm im Wasserglase zu beschwören. Wahr 
scheinlich hat die harmlose Feier an einem Frühjahrssonntage des 
Jahres 1791 stattgefunden, noch in den sogenannten goldenen Tagen 
der französischen Revolution. Hegels Stammbuchblätter aus jener Zeit 
sind voll von Ausrufungen, die zum Freiheitsbaum passen. Da steht 
das Hutten-Schillersche Wort: «In t^rannos!» Auf einem andern 
Blatte: «Vivs In liberte!» Auf einem dritten: «Vive Jean Jacques!» 
und so fort. 
Auf Hegels äußere Erscheinung und Haltung haben die Sitten 
der neuen Zeit und des akademischen Lebens keinerlei umgestaltenden 
Einfluß ausgeübt. Er blieb in den körperlichen und ritterlichen Künsten 
unbegabt und ungewandt, er hat das Reiten und Fechten lieber unter 
lassen als geübt, mit den Mädchen lieber Pfänder gespielt als getanzt 
und sich nachlässig und altmodisch gekleidet. Das Aeltliche und Lang 
same in seinem Wesen mußte in Tübingen, in der Mitte seiner 
akademischen Jugendgenossen noch auffallender und abstechender erscheinen 
als in Stuttgart. Er hieß im Stift „der alte Mann" oder „der 
Alte". Sein Freund Fallot aus Mömpelgard hat auf einem Stamm 
buchblatte vom 21. Februar 1791 ihn mit diesem Stichnamen illustrirt, 
er hat ihn gezeichnet in gebückter Haltung, auf Krücken schleichend, 
und die Worte hinzugefügt: „Gott stehe dem alten Manne bei!" 
Indessen war Hegel keineswegs ein Duckmäuser, der in mürrischer 
und gedrückter Verschlossenheit abseits stand, sondern ein heiterer Ge 
sellschafter, den man lieb hatte (wie ja auch Fallots gutmüthige Neckerei 
zeigt), der bei einem fröhlichen Zechgelage fröhlich mitthat, bei einem 
geselligen Ritt über Land die vorschriftsmäßige Klosterstunde vergaß 
und eine Carcerstrafe dafür empfing, der sich in ein hübsches Mädchen, 
wie Auguste Hegelmeier, die Tochter eines verstorbenen Professors der 
Theologie, leidenschaftlich verliebte und sogar auf dem seinem Freunde 
Fink gewidmeten Stammbuchblatte kundthat, wie wenig er dem Wein 
und der Liebe abgeneigt war: „Schön schloß sich der letzte Sommer, 
schöner der itzige! Das Motto von jenem war: Wein, von diesem:
	        
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